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FAQ: Gesetzentwurf zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes

Ein aus Papier gebasteltes Handy, um das bunte Sprechblasen aus Papier gelegt sind
Quelle: photocase

1. Weshalb schlägt die Bundesregierung eine Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes vor?

Der Entwurf dient zum einen der Umsetzung geänderter Vorgaben in der europäischen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL). Die AVMD-RL regelt Compliance-Vorgaben für Videosharingplattformen zum Schutz von Minderjährigen und der Allgemeinheit vor bestimmten Inhalten in Nutzervideos, beispielsweise wenn dort zu Gewalt oder Hass gegenüber einer Person wegen deren Geschlecht oder politischen Anschauung aufgestachelt wird. Die Richtlinie ist bis zum 19. September 2020 in nationales Recht umzusetzen.

Zum anderen soll mit den Änderungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) den bisherigen Erfahrungen und Rückmeldungen aus Praxis und Fachkreisen Rechnung getragen werden.

2. Hätte nicht der Abschluss der Evaluierung des NetzDG abgewartet werden müssen?

Das NetzDG wird derzeit evaluiert. Grundlage der Evaluierung ist eine entsprechende Vorgabe in der Gesetzesbegründung zum NetzDG (Bundestagsdrucksache 18/12356, S. 18), wonach die Evaluierung binnen drei Jahren nach Inkrafttreten (1. Oktober 2017) erfolgt.

Dort wo bereits Erkenntnisse aus der Evaluierung ersichtlich waren, sind Schlussfolgerungen daraus ergänzend in den Gesetzesentwurf eingeflossen. Zudem liegen dem Gesetzentwurf auch Erkenntnisse aus den bisherigen Transparenzberichten sowie Bußgeldverfahren zugrunde. So ist deutlich geworden, dass einige Transparenzberichte schwer vergleichbar erscheinen oder zum Beispiel mögliche Gründe für Veränderungen gegenüber früheren Berichtszeiträumen unklar bleiben. Darüber hinaus ist erkennbar, dass nach wie vor Meldewege zum Übermitteln von Beschwerden teilweise zu schwer auffindbar oder zu kompliziert zu bedienen sind, zum Beispiel, wenn der Einstieg in den Meldeweg schwer auffindbar ist oder das händische Kopieren und Einfügen einer URL abgefragt wird.

3. Weshalb sehen zwei aktuelle Gesetzgebungsvorhaben Änderungen des NetzDG vor?

Bei dem am 19. Februar 2020 von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität und dem am 1. April 2020 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes handelt es um zwei verschiedene Vorhaben.

Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität dient der Umsetzung des Maßnahmenpakets gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität vom 30. Oktober 2019. Dieser Gesetzentwurf sieht vor, dass die Anbieter großer sozialer Netzwerke verpflichtet werden, dem Bundeskriminalamt (BKA) als Zentralstelle bestimmte strafbare Inhalte zu melden, die ihnen durch eine Beschwerde bekannt und von ihnen entfernt oder gesperrt wurden. Regelungsstandort dafür ist das NetzDG.

Zu den rechtswidrigen Inhalten, die von der Meldepflicht an das BKA erfasst werden, gehören zum Beispiel das Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a StGB), Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§§ 89a, 91 StGB), Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen (§§ 130, 131 StGB) und Morddrohungen (§ 241 StGB). Von der Meldepflicht nicht erfasst sind beispielsweise die Ehrdelikte Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung (§§ 185 bis 187 StGB).

Beim Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchset-zungsgesetzes geht es um andere, hiermit nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehende Änderungen zur Umsetzung der AVMD-RL und Berücksichtigung vor allem von Praxiserfahrungen mit dem bisherigen NetzDG. Hier zu nennen ist zum Beispiel ein Verbesserungsbedarf bei den Meldewegen oder ein besserer Schutz der Nutzerinnen und Nutzer vor unberechtigten Löschungen ihrer Posts.

4. Hat sich das bisherige NetzDG bewährt?

Ja. Der Ansatz des NetzDG, die bereits bestehende Verantwortlichkeit der Anbieter sozialer Netzwerke beim Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte zu konkretisieren, hat sich grundsätzlich bewährt.

So haben die Anbieter sozialer Netzwerke Anstrengungen unternommen, um die Vorgaben zum Beschwerdemanagement umzusetzen. Die Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte wurden überarbeitet und das deutsche Strafrecht als Prüfungsmaßstab aufgenommen. Mit der halbjährlichen Berichtspflicht wurde überhaupt erst die Möglichkeit geschaffen, Einsicht in die Praxis der Anbieter, wie sie das Beschwerdemanagement organisieren, zu erlangen. Schließlich haben die großen Anbieter jeweils einen Zustellungsbevollmächtigten, der quasi eine Art inländischer Briefkasten der Anbieter ist, und empfangsberechtigte Personen als inländische Ansprechpartner benannt.

Die bisherigen Praxiserfahrungen mit dem NetzDG zeigen gleichwohl, dass punktuell einige Regelungen fortentwickelt werden sollten.

5. Welche Probleme haben sich in der Anwendung des Gesetzes gezeigt?

Die Umsetzung einzelner Regelungen des Gesetzes kann verbessert werden. Dabei geht es vor allem um folgende Bereiche:

Meldewege:
Die Regelung, wonach die Anbieter sozialer Netzwerke nutzerfreundliche Meldewege haben müssen, ist eine zentrale Vorgabe des NetzDG. Nutzerinnen und Nutzern muss es auf einfache Weise möglich sein, Hinweise auf rechtswidrige Inhalte zu übermitteln, damit der Anbieter diese prüfen kann. Allerdings gibt es in der Praxis hier zum Teil noch Hürden, etwa wenn im Meldeprozess unnötig erschwerende Zwischenschritte notwendig werden oder ein „Hin- und Herklicken“ erforderlich wird, um händisch identifizierende Angaben wie URLs oder Screenshots zu kopieren und einzufügen. Mit dem Entwurf zur Änderung des NetzDG werden daher die Anforderungen an die Nutzerfreundlichkeit der Meldewege nochmal ausdrücklich klargestellt.

Transparenzberichte:
Die bisherigen Transparenzberichte der sozialen Netzwerke haben bereits wichtige Erkenntnisse über deren Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte gebracht. Die Berichte haben aber auch gezeigt, dass Informationsgehalt und Vergleichbarkeit der Transparenzberichte erhöht werden sollten. Künftig müssen unter anderem Angaben zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Auffinden und Löschen von Inhalten sowie zur Anwendung und zu Ergebnissen von Gegenvorstellungsverfahren gemacht werden.

Auskunftsanspruch:
Schließlich wurde mit dem NetzDG seinerzeit mit § 14 Absatz 3 bis 5 des Telemediengesetzes (TMG) die (unter Richtervorbehalt gestellte) datenschutzrechtliche Erlaubnis zur Herausgabe von Daten durch den Anbieter sozialer Netzwerke geschaffen. Zweck der so erlaubten Datenherausgabe (wie z. B. den Namen des Verfassers oder einer Verfasserin eines Posts), ist es, die eigenen Rechte bei strafbaren Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Netz besser durchsetzen zu können. In der Praxis kommt es aber dazu, dass Anbieter trotz der gerichtlich angeordneten Erlaubnis zur Datenherausgabe die Auskunftserteilung mit dem Argument verweigern, dass keine Verpflichtung zur Herausgabe festgestellt sei. Deshalb müssen die Betroffenen dann ein weiteres Gerichtsverfahren zur Klärung der Frage der Herausgabepflicht anstrengen, um weiterzukommen. Die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen wird daher vereinfacht, indem nun das mit der Zulässigkeit zur Datenherausgabe befasste Gericht zugleich auch die Verpflichtung des sozialen Netzwerks zur Datenherausgabe anordnen kann.

6. Wird durch das NetzDG Overblocking befördert?

Nach derzeitigem Stand liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das NetzDG systematisch unrechtmäßige Entfernungen von Inhalten durch soziale Netzwerke (Overblocking) befördert.

Die Fälle, in denen Nutzer gerichtlich gegen Löschentscheidungen oder Accountsperrungen von Anbietern vorgegangen sind, betrafen anbietereigene Beschwerdekonstellationen, sogenannte Flagging-Beschwerden, oder sonstige Beschwerden bzw. eigene Initiativen der Anbieter. Die Fälle hatten keinen Zusammenhang mit dem NetzDG.

Zu berücksichtigen ist insofern, dass das NetzDG verschiedene Sicherungsmechanismen zum Schutz vor Overblocking enthält. So kann zum Beispiel erst ein „systemisches Versagen“ zu Bußgeldern wegen „Nichtlöschens“ führen. Den Netzwerken droht bei Fehlentscheidungen im Einzelfall gerade kein Bußgeld, es kommt auf die Gesamtaufstellung des Systems an. Außerdem sind die Fristenvorgaben zum Entfernen oder Sperren von Inhalten flexibilisiert, das heißt, dass die sogenannte 7-Tages-Frist nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 NetzDG im Einzelfall überschritten werden kann.

Schließlich können die Anbieter bestimmte Entscheidungen über die Rechtswidrigkeit von Inhalten an anerkannte Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung abgeben. Hinzu kommen die Bußgeldleitlinien zum NetzDG: Sie stellen klar, dass schwierige Fälle nicht für Bußgelder relevant sind, wie zum Beispiel bei scharfen Äußerungen im politischen Meinungskampf oder satirischen Beiträgen. Damit ist noch einmal klargestellt, dass diese schwierigen Fälle für die Netzwerke keinen Bußgelddruck erzeugen sollen.

Unabhängig davon bleibt die geäußerte Befürchtung eines Overblocking auch in Zukunft ernst zu nehmen. Dem dient auch der vorgelegte Gesetzentwurf. Zur Stärkung der Nutzerrechte wird das NetzDG um verschiedene Instrumente ergänzt. So wird die Vorgabe eingeführt, dass Anbieter sozialer Netzwerke einen Mechanismus zur Überprüfung ihrer Entscheidungen vorhalten müssen (sogenanntes Gegenvorstellungsverfahren).

Zudem soll eine Rechtsunsicherheit im Hinblick auf den Zustellungsbevollmächtigten (dem vom Anbieter zu benennenden Ansprechpartner in Deutschland) beseitigt werden. An diesen Zustellungsbevollmächtigten können zum Beispiel Klageschriften zur Einleitung gerichtlicher Verfahren mit dem Ziel der Löschung rechtswidriger Inhalte zugestellt werden. Es wird klargestellt, dass die Regelung auch für Klagen auf Wiederherstellung gilt.

Wenn ein Nutzer oder eine Nutzerin gegen den Anbieter eines sozialen Netzwerks wegen unrechtmäßiger Löschung oder Sperrung klagt, können die Klage und weiteren Zustellungen in dem Verfahren an den Zustellungsbevollmächtigten im Inland gerichtet werden. Dadurch wird der Schutz gegen unberechtigte Löschungen und Account-Sperrungen, die vom sozialen Netzwerk mit der Verbreitung rechtswidriger Inhalte begründet wurden, verbessert.

Schließlich werden die Grundlagen zur Schaffung von unparteiischen Schlichtungsstellen geschaffen, um so schneller und ohne große Kosten zu einer Lösung etwa bei unberechtigten Löschungen zu kommen.

7. Wie steht die Bundesregierung zu der Kritik, dass mit dem NetzDG die Rechtsdurchsetzung und Strafverfolgung privatisiert werde?

Dieser Einwand ist nicht zutreffend.
In Bezug auf die Strafverfolgung gilt unverändert, dass über Stra-fen im Sinne des Strafgesetzbuchs ausschließlich ein Richter oder eine Richterin entscheiden darf. Hierum geht es beim NetzDG gerade nicht: Hier wird kein Nutzer bzw. keine Nutzerin bestraft, sondern es geht darum, dass strafbare Inhalte von Nutzerinnen und Nutzern entfernt werden. Das heißt das NetzDG zielt darauf ab, eine Rechtsverletzung zu beseitigen.

Darüber hinaus gab es vor allem aber schon die sogenannte Störer-Haftung von Host-Providern zum Beispiel nach dem Urheberrechtsgesetz oder auch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Hierbei geht es um die nach Art. 14 Absatz 1 E-Commerce-RL bzw. § 10 Telemediengesetz zulässige Haftung bei Nichtentfernen zum Beispiel von bestimmten rechtswidrigen Nutzerkommentaren, obwohl davon Kenntnis erlangt wurde.

Es war und ist also richtig, dass die Anbieter sozialer Netzwerke nach einem Hinweis auf einen strafbaren Inhalt, diesen in einem ersten Schritt selbst prüfen müssen. Natürlich obliegt die letztverbindliche Klärung der Strafbarkeit eines Inhalts den unabhängigen Gerichten.

8. Warum sollen die Regelungen des Telemediengesetzes zum Auskunftsanspruch geändert werden?

Strafbare Beiträge wie Bedrohungen oder Beleidigungen verletzen häufig Rechte einzelner Personen. Betroffene können deshalb heute mit Hilfe der §§ 14 und 15 Telemediengesetz (TMG) vom Anbieter beispielsweise eines sozialen Netzwerks Informationen verlangen, die sie zur Durchsetzung ihrer Rechte benötigen wie den Namen des Verfassers.

Die Zulässigkeit der Auskunftserteilung wird dabei zunächst von einem Gericht festgestellt. In der Praxis verweigern Diensteanbieter allerdings häufig auch nach einer solchen Entscheidung die Datenherausgabe mit der Begründung, dass zwar die Erlaubnis, nicht aber die Pflicht zur Herausgabe gerichtlich festgestellt sei. Der Betroffene muss dann ein weiteres gerichtliches Verfahren anstrengen, um die Verpflichtung des Anbieters feststellen zu lassen. Das ist häufig kompliziert und langwierig.

9. Wie läuft das Auskunftsverfahren künftig ab?

Künftig wird die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen effizienter gestaltet: Das mit der Zulässigkeit zur Datenherausgabe befasste Gericht wird zugleich auch die Verpflichtung des Anbieters zur Datenherausgabe anordnen können.

Das heißt konkret: Es wird zukünftig kein zweites Gerichtsverfahren mehr erforderlich sein, weil auch über die Verpflichtung des Anbieters zur Datenherausgabe bereits auf „erster Stufe“ mitentschieden wurde.

10. Welche Regelungen sind für die vom NetzDG neu erfassten Videosharingplattform-Dienste vorgesehen?

Die geänderte AVMD-RL enthält Vorgaben für sogenannte Videosharingplattform-Dienste zum Schutz vor unzulässigen Inhal-ten auf solchen Plattformen. Solche Dienste können bereits heute vom NetzDG als soziale Netzwerke erfasst sein.

Allerdings sind die Begriffe soziales Netzwerk im Sinne des NetzDG sowie Videosharingplattform-Dienst im Sinne der AVMD-RL nicht vollständig deckungsgleich. Der Begriff der sozialen Netzwerke im NetzDG ist auf Anbieter beschränkt, welche für die Verbreitung beliebiger Inhalte bestimmt sind. Der Begriff der Videosharingplattform-Dienste in der AVMD-RL erfasst auch Anbieter, welche nur der Verbreitung spezifischer Inhalte (z.B. Games-Videos) dienen. Zudem gelten die Compliance-Pflichten des NetzDG nur für große soziale Netzwerke mit mindestens zwei Millionen inländischen registrierten Nutzerinnen und Nutzern. Eine solche Grenze im Sinne einer festen Nutzerzahl enthält die AVMD-RL hingegen nicht.

Aufgrund der Vorgaben der AVDM-RL sieht der Gesetzentwurf vor, dass künftig auch themenspezifische sowie zum Teil auch kleinere Videosharingplattformen vom NetzDG erfasst werden. Ein Beispiel wäre eine inländische Plattform zum Verbreiten von Games-Videos mit weniger als zwei Millionen registrierten inländischen Nutzern.

Im Hinblick auf kleinere Videosharingplattformen wurde aber auf eine verhältnismäßige Anwendung des NetzDG geachtet: Sie sollen von den meisten, vor allem den aufwändigeren Pflichten des NetzDG, zum Beispiel zum Umgang mit Beschwerden zu nicht-offensichtlich rechtswidrigen Inhalten oder den Berichtspflichten, befreit bleiben.

Zudem berücksichtigt der Gesetzentwurf, dass die AVMD-RL das Melde- und Abhilfeverfahren in Bezug auf bestimmte unzulässige Inhalte von Videosharingplattform-Diensten für bestimmte Nutzervideos innerhalb der europäischen Union harmonisiert und dabei davon ausgeht, dass das jeweilige Land, in dem der Anbieter niedergelassen ist (sogenanntes Sitzland), die Aufsicht über die Einhaltung der Mindestvorgaben wahrnimmt. Aus diesem Grund wird das NetzDG für ausländische Videosharingplattform-Dienste teilweise nicht mehr unmittelbar anwendbar sein. In diesem Bereich bleibt es aber künftig möglich, dass das Bundesamt für Justiz nach Maßgabe bestimmter zu durchlaufender Verfahren die Geltung des NetzDG anordnet, wenn andernfalls kein ausreichender Schutz vor bestimmten strafbaren Nutzervideos gewährleistet ist.

11. Warum sollen die Anbieter zukünftig über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz berichten?

Angaben großer Anbieter deuten darauf hin, dass sie bei einem erheblichen Teil der wegen Verstoßes gegen ihre Nutzungsbedingungen (meist als Gemeinschaftsstandards oder Commmunity-Richtlinien bezeichnet) entfernten Inhalte der Einsatz automatisierter Verfahren vorausgeht. Nach den bisherigen Erkenntnissen scheinen die automatisierten Verfahren dem Auffinden von Inhalten zu dienen, während die Entscheidung zum Entfernen letztlich durch eine Mitarbeiterin der einen Mitarbeiter getroffen wird.

Hierüber sollte Transparenz geschaffen werden. Die Transparenzvorgaben im NetzDG sollen daher um eine neue Informationspflicht ergänzt werden. Danach ist künftig unter anderem über die Grundzüge der Funktionsweise von Verfahren zum automatisierten Auffinden von Inhalten, die (gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung) entfernt oder gesperrt werden sollen, zu berichten. Anzugeben ist zum Beispiel auch, wie die Ergebnisse selbstlernender Systeme überprüft werden.

Diese neue Transparenzvorgabe umfasst sowohl Inhalte, deren Verbreitung gegen Strafnormen oder sonstige Gesetze verstoßen kann, als auch Inhalte, welche aus Sicht der Anbieter gegen die vertraglichen Beziehungen mit den Nutzern verstoßen.

Die neue Informationspflicht fordert aber weder zum Einsatz von Verfahren zum automatisierten Auffinden von Inhalten auf, noch macht das NetzDG einen solchen Einsatz an anderer Stelle erforderlich. Denn das NetzDG umfasst keine Löschpflicht von Kopien, das heißt, dass im Nachgang zu einer Beschwerde nicht nur der konkrete Inhalt, sondern auch auf der Plattform verbreitete Kopien davon zu löschen wären. Das NetzDG sieht auch keine Pflicht zur Upload-Filterung vor. Das NetzDG trifft auch keine Aussage über die Zulässigkeit der Anwendung entsprechender Verfahren.

12. Werden die Anbieter zukünftig auch über „Put backs“ berichten?

Ja. Künftig ist in den Transparenzberichten aufzuführen, wie große Anbieter mit Gegenvorstellungen umgehen, das heißt mit Anträgen auf erneute Überprüfung einer Entscheidung über eine NetzDG-Beschwerde.

So müssten zum Beispiel große Anbieter (mit mindestens 2 Mio. registrierten Nutzern im Inland) die Anzahl von Gegenvorstellungen im Sinne des NetzDG, die sie im Berichtszeitraum erhalten, in den Transparenzberichten nennen. Insofern ist auch über die Anzahl der vom Anbieter gelöschten Inhalte, die nach erneuter Prüfung wieder eingestellt wurden – sogenannte „Put backs“ –, zu berichten.

13. Wie sollen die Anbieter zukünftig Transparenz über besonders von Hassrede betroffene Nutzerkreise schaffen?

Die großen Anbieter sollen zukünftig darüber berichten, ob und inwieweit Wissenschaft und Forschung zwecks anonymisierter Auswertungen Zugang zu Erkenntnismöglichkeiten darüber gewährt wird, inwiefern die Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten zu spezifischer Betroffenheit bestimmter Nutzerkreise (zum Bei-spiel Frauen) führt, abgestimmte Verhaltensweisen bei deren Verbreitung zugrunde liegen sowie zu der Frage, inwiefern entfernte Inhalte an Eigenschaften im Sinne des § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) anknüpfen, also zum Beispiel an der ethnischen Herkunft, dem Geschlecht, der Religion oder der sexuellen Identität.

14. Wird die Vergleichbarkeit der Transparenzberichte erhöht?

Ja. In der Vergangenheit wurde kritisiert, dass die bisherigen Transparenzberichte zum Teil nicht ausreichend vergleichbar seien. Um der Öffentlichkeit einen Vergleich der Berichte verschiedener Anbieter trotz unterschiedlicher Geschäftsmodelle und eines unterschiedlichen Nutzerkreises zu erleichtern, sollen die Berichte daher künftig eine tabellarische Zusammenfassung wesentlicher Kennzahlen enthalten, konkret die Anzahl der eingegangenen Beschwerden über rechtswidrige Inhalte, der Anteil resultierender Entfernungen oder Sperrungen, die Anzahl der Gegenvorstellungen sowie der Anteil daraufhin abgeänderter Entscheidungen.

Diese Kennzahlen aus den Transparenzberichten sollen dabei auch im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Berichtszeiträumen aufgeführt werden. Zudem sollen mögliche Gründe für Veränderungen gegenüber den beiden vorherigen Berichten genannt werden.

15. Werden die Meldewege nutzerfreundlicher werden?

Nutzerinnen und Nutzern muss es auf einfache Weise möglich sein, einem Anbieter Hinweise auf rechtswidrige Inhalte zu übermitteln. In der Praxis haben soziale Netzwerke ihre Meldewege für Beschwerden über rechtswidrige Inhalte zum Teil wenig nutzerfreundlich umgesetzt.

Daher werden im Gesetz ausdrücklich Klarstellungen vorgenommen, dass Meldewege Ieicht auffindbar und für jeden einfach zu bedienen sein müssen – und zwar direkt vom Inhalt aus, der als rechtswidrig gemeldet werden soll.

Künftig ist klargestellt: Ein Meldeweg, der zum Beispiel lediglich über das Impressum auffindbar ist oder bei welchem dann nach langem Klickweg noch das händische Einfügen der URL abgefragt wird, ist nicht mit dem NetzDG vereinbar.

16. Was ist der Zweck des Gegenvorstellungsverfahrens?

Wenn Anbieter sozialer Netzwerke über Beschwerden über rechtswidrige Inhalte entscheiden, kann es vorkommen, dass diese Entscheidung entweder den Beschwerdeführer bzw. die Beschwerdeführerin oder aber den Inhalteverfasser bzw. die Inhalteverfasserin nicht überzeugt und diese damit nicht einverstanden sind.

Für diesen Fall soll es möglich sein, auf einfache Weise Gegenargumente beim Anbieter vorzubringen und diesen zu einer erneuten Prüfung zu veranlassen.

Diese erneute Prüfung wird nun mit dem sogenannten Gegenvorstellungsverfahren abgesichert. Konkret bedeutet das: Wenn ein geposteter Inhalt einer Nutzerin oder eines Nutzers vom Anbieter gelöscht wurde, kann er oder sie die Überprüfung dieser Entscheidung vom Anbieter verlangen. Umgekehrt kann auch jemand, der einen Inhalt als rechtswidrig gemeldet hat, welcher jedoch nicht vom Anbieter gelöscht wurde, einfordern, dass diese Entscheidung überprüft wird.

17. Wie kann ich eine Gegenvorstellung erheben und wo finde ich die Kontaktmöglichkeit?

Das Gegenvorstellungsverfahren wird nur auf Antrag durchgeführt. Der Antrag ist entweder von Seiten der Beschwerdeführerin bzw. des Beschwerdeführers oder aber des Inhalteverfassers bzw. der Inhalteverfasserin zu erheben.

Der Antrag kann binnen einer Frist von zwei Wochen nach der Information über die ursprüngliche Entscheidung, die überprüft werden soll, gestellt werden.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die großen Anbieter eine einfache elektronische Kontaktaufnahme für den Antrag auf Gegenvorstellung vorsehen müssen. Dies muss auch im Rahmen der Information über die fragliche Entscheidung, um die es geht, das heißt der Information über das Löschen bzw. Nichtlöschen, erfolgen. Wenn also zum Beispiel ein Nutzer bzw. eine Nutzerin mit einer E-Mail über die Entfernung eines Inhalts informiert wird, so muss bereits in dieser E-Mail die Möglichkeit eröffnet werden, zum Gegenvorstellungsverfahren zu gelangen, zum Beispiel über ei-nen Link.

18. Wie läuft das Verfahren der Gegenvorstellung? Was ist, wenn der Anbieter an seiner Entscheidung festhält?

Der Anbieter muss in einem ersten Schritt die eingegangene Gegenvorstellung prüfen.
Kommt in Betracht, dass er seine ursprüngliche Entscheidung abändern will, muss er die „Gegenseite“ über die Gegenvorstellung informieren und diesem bzw. dieser Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Das heißt beispielsweise: Legt der Beschwerdeführer eine Gegenvorstellung gegen eine Nichtlöschung ein, und erwägt der Anbieter dem abzuhelfen, das heißt doch zu entfernen bzw. zu sperren, muss der Anbieter vorher zunächst den Inhalteverfasser oder die Inhalteverfasserin informieren und Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

Letztlich muss der Anbieter dann seine Entscheidung einer erneuten Prüfung unterziehen und eine Überprüfungsentscheidung treffen.
Wichtig ist, dass die Überprüfungsentscheidung durch einen neuen Prüfer bzw. eine neue Prüferin erfolgen muss und eine einzelfallbezogene Begründung gegeben werden muss.

Durch das Gegenvorstellungsverfahren wird der Rechtsweg nicht ausgeschlossen. Das heißt es bleibt den Nutzerinnen und Nutzern unbenommen, die Entscheidung des Anbieters durch unabhängige Gerichte überprüfen zu lassen. Das Durchlaufen des Gegenvorstellungsverfahrens ist keine Voraussetzung für eine gerichtliche Klärung, es ist für die Gerichte auch nicht bindend.

19. Weshalb ist im Gesetz eine Anerkennungsmöglichkeit für pri-vate Schlichtungsstellen vorgesehen?

Mit Hilfe von privaten Schlichtungsstellen können Streitigkeiten zwischen Nutzerinnen bzw. Nutzern und Anbietern auch außergerichtlich beigelegt werden. Dadurch können Streitigkeiten häufig schneller und für die Beteiligten mit weniger Kosten beigelegt werden.

Um die Qualität der Schlichtung zu gewährleisten, wird das Gesetz die Voraussetzungen für die Anerkennung solcher Schlichtungsstellen regeln.

20. Wer kann sich als private Schlichtungsstelle anerkennen lassen und unter welchen Voraussetzungen?

Träger der Schlichtungsstelle muss eine juristische Person mit Sitz im Inland sein, zum Beispiel ein eingetragener Verein. Die Finanzierung der Schlichtungsstelle muss gesichert sein.

Der Gesetzentwurf stellt zudem weitere Voraussetzungen auf, die für eine Anerkennung erfüllt sein müssen. So muss zum Beispiel die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Sachkunde der mit der Schlichtung befassten Personen gewährleistet sein. Die Schlichtungsstelle muss zudem sachgerecht ausgestattet sein und eine zügige Bearbeitung der Schlichtungsverfahren sicherstellen.

21. Wo kann man Einzelheiten zu dem Schlichtungsverfahren einer anerkannten privaten Schlichtungsstelle finden?

Eine anerkannte private Schlichtungsstelle muss eine Schlichtungsordnung haben, in der die Einzelheiten des Schlichtungsverfahrens geregelt sind. Die Schlichtungsordnung muss ein einfaches, kostengünstiges, unverbindliches und faires Schlichtungsverfahren ermöglichen. Die Schlichtungsstelle muss die Öffentlichkeit dauerhaft über ihre Erreichbarkeit und Zuständigkeit sowie über den Ablauf des Schlichtungsverfahrens und die Schlichtungsordnung informieren. Das kann sie zum Beispiel durch eine Webseite tun, auf der man diese Informationen findet.

22. Muss man ein Schlichtungsverfahren durchführen, wenn man Rechte gegen einen Anbieter geltend machen will?

Nein, die Teilnahme an den Schlichtungsverfahren ist freiwillig.
Da Recht, vor einem Gericht zu klagen, bleibt zudem unberührt.

23. Wird es auch eine Schlichtungsmöglichkeit bei einer Behörde geben?

Das Bundesamt für Justiz wird unter Berücksichtigung der Vorgaben der AVMD-RL für bestimmte Streitigkeiten mit Anbietern von Videosharingplattform-Diensten, bei denen die Bundesrepublik Deutschland Sitzland ist oder nach dem Gesetz als Sitzland gilt, eine behördliche Schlichtungsmöglichkeit anbieten, wenn für die Streitigkeit kein privatrechtlich organisiertes Schlichtungsangebot vorhanden ist.
Auch die behördliche Schlichtungsstelle muss Informationen über ihre Erreichbarkeit und Zuständigkeit und über den Ablauf des Schlichtungsverfahrens und die Schlichtungsordnung veröffentlichen, zum Beispiel auf einer Webseite.

24. Warum soll das Bundesamt für Justiz künftig auch als Aufsichtsbehörde tätig werden?

Aktuell ist das Bundesamt für Justiz nur Verfolgungsbehörde und kann damit nur nachträglich repressiv tätig werden (Ermittlungsverfahren einleiten und ggf. Bußgeld verhängen). Bislang fehlt eine Aufsichtskompetenz, wonach zukunftsgerichtet auch Anordnungen zum Abstellen eines Gesetzesverstoßes getroffen werden können. Diese Lücke soll geschlossen werden.

Mit dem Gesetz wird nun eine Aufsichts- und Anordnungsbefugnis des für die Durchsetzung des NetzDG zuständigen Bundesamts für Justiz eingeführt.

Wenn beispielsweise ein Anbieter eines sozialen Netzwerkes die sogenannten Meldewege zum Übermitteln von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte zu kompliziert ausgestaltet, kann das Bundesamt für Justiz zukünftig anordnen, dass dieses Defizit abgestellt werden muss.

25. Wird das Bundesamt für Justiz dann künftig auch das Löschen von Inhalten oder das Sperren von Accounts anordnen können?

Nein. Schon bisher enthält das NetzDG nur Organisationsvorgaben. Es enthält keinerlei Grundlage zur Anordnung der Löschung oder Sperrung einzelner Inhalte oder Accounts. Die neue Aufsichtsbefugnis des Bundesamtes für Justiz ändert daran nichts. Das Bundesamt für Justiz wird lediglich anordnen können, dass Defizite im Sinne des NetzDG, das heißt Verstöße gegen die dortigen Organisationsvorgaben, zum Beispiel unzureichende Meldewege, abgestellt werden. Für Anordnungen im Einzelfall sind weiterhin die im Landesrecht bestimmten Behörden, in der Regel die Landesmedienanstalten, zuständig.



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