Neues Betreuungsrecht: mehr Selbstbestimmung und Mitsprache, bessere Qualität und Aufsicht
Mehr Geld durch die Anpassung im Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz
Mehrere Berufsgruppen sollen ab dem 1. Januar 2026 eine höhere Vergütung erhalten: berufliche Betreuerinnen und Betreuer, berufsmäßige Vormünder sowie Ergänzungs-, Nachlass-, Umgangs- und Verfahrenspflegerinnen und -pfleger. „Wir wollen, dass diese Arbeit angemessen und möglichst unkompliziert vergütet wird. Dazu reformieren wir jetzt die Vormünder- und Betreuervergütung“, so Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann. Schon jetzt ist regional zum Teil ein erheblicher Mangel an beruflichen Betreuerinnen und Betreuern festzustellen, der sich voraussichtlich ohne Anpassung der Vergütung verschärfen wird. Der entsprechende Referentenentwurf wurde hier veröffentlicht. Das BMJ hat eine umfangreiche Evaluierung des Vergütungssystems durchgeführt. Den Evaluierungsbericht samt Anlagen finden Sie hier.
Neues Betreuungsrecht
Wenn Sie infolge eines Unfalls oder einer Erkrankung die eigenen rechtlichen Angelegenheiten nicht (mehr) selbst erledigen können und keine oder keine ausreichende Vorsorgevollmacht erteilt haben, können Sie darauf angewiesen sein, dass das Gericht einen rechtlichen Betreuer oder eine Betreuerin zu Ihrer Unterstützung bestellt. Das seit 1. Januar 2023 geltende reformierte Betreuungsrecht sichert Ihre größtmögliche Selbstbestimmung und stellt Ihre Wünsche in den Mittelpunkt aller Entscheidungen, die ein Betreuer bzw. eine Betreuerin im Rahmen des gerichtlich bestimmten Aufgabenkreises trifft und umsetzt.
Welche Verbesserungen bringt das neue Betreuungsrecht?
Reform Betreuungsrecht - Kampagnenclip
Mehr Selbstbestimmung
Es stärkt die Selbstbestimmung betreuter Menschen und stellt ihre Wünsche in den Mittelpunkt des Betreuerhandelns. Der Betreuer bzw. die Betreuerin hat die Angelegenheiten der betreuten Person so wahrzunehmen, dass diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Leben nach ihren Wünschen gestalten kann (§ 1821 Absatz 2 BGB). Dazu gehört insbesondere, dass er oder sie die betreute Person dabei unterstützt, ihre rechtlichen Angelegenheiten selbst wahrzunehmen, und dass er oder sie von seiner oder ihrer Vertretungsmacht nur Gebrauch macht, soweit dies erforderlich ist. Die Betreuerin oder der Betreuer darf in keinem Fall über den Kopf einer betreuten Person hinweg entscheiden. Der Betreuer bzw. die Betreuerin muss sich durch regelmäßige persönliche Kontakte und Besprechung anstehender Entscheidungen ein Bild davon machen, welche Vorstellungen und Wünsche die betreute Person hat und was sie nicht will. Den festgestellten Wünschen der betreuten Person hat der Betreuer bzw. die Betreuerin in den gesetzlich festgelegten Grenzen zu entsprechen und die betreute Person bei deren Umsetzung rechtlich zu unterstützen. Die Pflicht zur Wunschbefolgung gilt grundsätzlich auch bei der Entscheidung des Betreuungsgerichts, wer zum rechtlichen Betreuer oder zur Betreuerin bestellt wird.
Wünsche als Maßstab für Aufsicht und Kontrolle
Der rechtliche Betreuer bzw. die Betreuerin unterliegt der Aufsicht und Kontrolle durch das Betreuungsgericht. Das neue Betreuungsrecht macht die Wünsche betreuter Menschen zum zentralen Maßstab für diese Aufsicht und Kontrolle. Die Aufsichtsführung orientiert sich seit dem 1. Januar 2023 primär am Maßstab der Wünsche der betreuten Person, §§ 1862 in Verbindung mit 1821 BGB. Damit das Betreuungsgericht die Einhaltung dieser Maxime überprüfen kann, muss es die Wünsche betreuter Menschen kennen. Mit dem Reformgesetz wurden die Anforderungen an die vom Betreuer bzw. der Betreuerin bei Gericht einzureichenden Berichte daher klarer formuliert. Diese Berichte liefern den zuständigen Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern wichtige Anhaltspunkte für die Sichtweise der betreuten Person und einen Einblick in deren persönliche Lebenssituation. So kann das Gericht prüfen, ob der Betreuer bzw. die Betreuerin die Betreuungsführung am Leitbild des § 1821 BGB ausrichtet. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Betreuer oder die Betreuerin den Wünschen der betreuten Person nicht oder nicht in geeigneter Weise nachkommt, muss die zuständige Rechtspflegerin oder der zuständige Rechtspfleger die betreute Person grundsätzlich persönlich anhören. Der Schutz höchstpersönlicher Lebensbereiche betreuter Menschen ist zudem stärker ausgestaltet als bisher. Dies gilt insbesondere für die selbst genutzte Wohnung als persönlichem Lebensmittelpunkt. Die Aufgabe dieses Wohnraums ist nach der neuen Vorschrift des § 1833 BGB grundsätzlich nur zulässig, wenn sie dem Willen der betreuten Person entspricht. Der Betreuer bzw. die Betreuerin hat die Absicht, selbst genutzten Wohnraum der betreuten Person aufzugeben, dem Betreuungsgericht unter Angabe der Gründe und der Sichtweise der betreuten Person unverzüglich anzuzeigen. Damit werden eine gerichtliche Überprüfung der beabsichtigten Wohnungsaufgabe und ggf. ein Eingreifen des Betreuungsgerichts im Rahmen der Aufsicht zum Schutz der betreuten Person ermöglicht.
Rechtliche Betreuung nur, wenn andere Hilfen nicht ausreichen
Die neuen Vorschriften stellen noch deutlicher klar, dass eine Betreuung nur eingerichtet wird, wenn andere Hilfen, vor allem nach dem Sozialrecht, ausgeschöpft sind und nicht ausreichen.
Neuer Mindeststandard für die Eignung und Qualifikation beruflicher Betreuer
Die Reform verbessert die Qualität der beruflichen Betreuung durch Einführung eines Mindeststandards für den Zugang zum Betreuerberuf. Seit dem 1. Januar 2023 werden alle beruflichen Betreuerinnen und Betreuer von der Betreuungsbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich sich ihr Sitz bzw. hilfsweise ihr Wohnsitz befindet (Stammbehörde), registriert. Die Registrierung ist zwingende Voraussetzung für die Bestellung durch das Betreuungsgericht und für den Anspruch auf Vergütung. Als beruflicher Betreuer bzw. Betreuerin kann sich nach § 23 BtOG nur registrieren lassen, wer über die hierfür erforderliche persönliche Eignung und Zuverlässigkeit verfügt, eine ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit nachgewiesen und eine Berufshaftpflichtversicherung für Vermögensschäden mit einer Mindestversicherungssumme von 250 000 EUR pro Versicherungsfall und von 1 000 000 EUR für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres abgeschlossen hat. Die für die Registrierung gegenüber der Stammbehörde durch Unterlagen nachzuweisende Sachkunde ist der neue Mindeststandard für berufliche Betreuerinnen und Betreuer. Sie umfasst Kenntnisse des Betreuungs- und Unterbringungsrechts, des dazugehörigen Verfahrensrechts sowie auf den Gebieten der Personen- und Vermögenssorge, Kenntnisse des sozialrechtlichen Unterstützungssystems und Kenntnisse der Kommunikation mit Personen mit Erkrankungen und Behinderungen und von Methoden zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung (§ 23 Absatz 3 BtOG).
Mehr Unterstützung für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer
Das neue Betreuungsrecht stellt ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern kompetente Ansprechpartner zur Seite. Für sie sieht es die Möglichkeit vor, mit einem anerkannten Betreuungsverein eine Vereinbarung über eine Begleitung und Unterstützung abzuschließen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Vereine führen unter anderem Betreuungen. Betreuungsvereine leisten daneben auch andere Aufgaben, zu denen gehört, ehrenamtliche Betreuer und Betreuerinnen zu gewinnen, sie in ihre Aufgaben einzuführen und fortzubilden. Ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer, die bei Bestellung keine familiäre Beziehung oder persönliche Bindung zur betreuten Person haben, dürfen in der Regel nur bestellt werden, wenn sie eine solche Vereinbarung nachweisen. Für Ehrenamtler mit familiärer Beziehung oder persönlicher Bindung zur betreuten Person ist der Abschluss einer solchen Vereinbarung möglich und im Bedarfsfall zu empfehlen. Denn hierdurch wird eine konstante kompetente Beratung und Unterstützung durch erfahrene Fachkräfte sichergestellt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur rechtlichen Betreuung
Was ist eine rechtliche Betreuung?
Die rechtliche Betreuung ist ein Rechtsinstrument zur Unterstützung von Erwachsenen, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ihre rechtlichen Angelegenheiten nicht oder nicht mehr selbst wahrnehmen können. Sie ist strikt am individuellen Bedarf des kranken oder behinderten Menschen ausgerichtet, berücksichtigt seine verbliebenen Fähigkeiten und wahrt seine Selbstbestimmung. Rechtseingriffe werden auf das erforderliche Maß beschränkt. Die vom Betreuungsgericht bestellte Betreuerin oder der Betreuer unterstützt die betroffene Person in dem genau festgelegten Aufgabenkreis dabei, ihre rechtlichen Angelegenheiten so weit wie möglich selbst wahrzunehmen und ihr Selbstbestimmungsrecht zu wahren. Er oder sie macht von der Vertretungsmacht nur Gebrauch, soweit dies erforderlich ist. Die Bestellung eines Betreuers oder einer Betreuerin ist dabei keine Entrechtung. Die Entmündigung Volljähriger ist in Deutschland bereits seit 1992 abgeschafft.
Eine Betreuerbestellung hat nicht zur Folge, dass die betreute Person geschäftsunfähig wird. Die Wirksamkeit der von ihr abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärungen beurteilt sich wie bei allen anderen Personen allein danach, ob sie deren Wesen, Bedeutung und Tragweite einsehen und ihr Handeln danach ausrichten kann. Die Frage, ob eine Person tatsächlich geschäftsunfähig ist (§ 104 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)), wird im Einzelfall und unabhängig davon beurteilt, ob ein Betreuer oder eine Betreuerin bestellt ist.
Wann kann ein Betreuer oder eine Betreuerin bestellt werden?
Ein Betreuer oder eine Betreuerin kann gemäß § 1814 BGB nur bestellt werden, wenn bei der betroffenen Person eine Unterstützungsbedürftigkeit bei der Wahrnehmung rechtlicher Angelegenheiten vorliegt, die auf einer Krankheit oder Behinderung beruht. Sowohl körperliche als auch psychische Krankheiten sind von diesem Begriff umfasst. Hierzu gehören u.a. körperlich begründbare psychische Erkrankungen, insbesondere infolge von degenerativen Hirnprozessen (Demenzerkrankungen) oder als Folge von Krankheiten (z. B. einer Hirnhautentzündung) oder von Verletzungen des Gehirns. Auch Abhängigkeitserkrankungen (z.B. durch Medikamenten-, Drogen- oder Alkoholmissbrauch) können bei entsprechendem Schweregrad Krankheiten sein, die bei Bestehen eines Betreuungsbedarfs Grund für eine Betreuerbestellung sind. Dasselbe gilt schließlich für Neurosen oder Persönlichkeitsstörungen („Psychopathien“).
Unter Behinderung fallen u.a. angeborene sowie während der Geburt oder durch frühkindliche Hirnschädigungen erlittene Intelligenzminderungen verschiedener Schweregrade. Auch körperliche Behinderungen können Anlass für die Bestellung eines Betreuers oder einer Betreuerin sein, allerdings nur, soweit sie die Fähigkeit zur Besorgung der rechtlichen Angelegenheiten wenigstens teilweise aufheben oder wesentlich behindern. Dies kann etwa bei dauernder Bewegungsunfähigkeit der Fall sein.
Wer kann zum Betreuer oder zur Betreuerin bestellt werden?
Der Betreuer oder die Betreuerin wird vom Betreuungsgericht bestellt (§ 1816 BGB). Wünscht der oder die Volljährige eine bestimmte Person, so ist diesem Wunsch zu entsprechen, es sei denn, die gewünschte Person ist zur Führung der Betreuung nicht geeignet. Bei der Auswahl ist im Übrigen auf die familiären und sonstigen persönlichen Bindungen, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, Kindern oder Ehegatten sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen (§ 1816 Absatz 3 BGB). Es haben dabei die Personen Vorrang, die sich für die ehrenamtliche Übernahme der Betreuung eignen und hierzu bereit sind. Eine berufliche Betreuerin bzw. ein beruflicher Betreuer sollen nur dann bestellt werden, wenn kein/e geeignete/r ehrenamtliche/r Betreuer/in zur Verfügung steht.
Mit der Betreuungsverfügung kann jeder schon im Voraus festlegen, wen das Gericht als rechtlichen Betreuer oder rechtliche Betreuerin bestellen soll. Das Gericht ist an diese Wahl gebunden, es sei denn, die gewünschte Person ist zur Führung der Betreuung nicht geeignet. Genauso kann bestimmt werden, wer auf keinen Fall als Betreuer oder Betreuerin in Frage kommt. Möglich sind auch inhaltliche Vorgaben für den Betreuer bzw. die Betreuerin, etwa welche Wünsche und Gewohnheiten respektiert werden sollen oder ob im Pflegefall eine Versorgung zu Hause oder im Pflegeheim gewünscht wird. Die Betreuungsverfügung kann auch mit einer Vorsorgevollmacht verbunden werden und würde dann zur Geltung kommen, wenn die Vorsorgevollmacht – aus welchen Gründen auch immer – nicht wirksam ist.
Gibt es Alternativen zu einer Betreuerbestellung?
Eine Betreuerin oder ein Betreuer wird nur bestellt, wenn und soweit dies erforderlich ist, weil eine Person ihre rechtlichen Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht (mehr) besorgen kann. Dabei muss zunächst festgestellt werden, ob nicht Hilfen tatsächlicher Art vorhanden und zur Unterstützung der betroffenen Person ausreichend sind. So können Familienangehörige, Bekannte oder soziale Dienste die betroffene Person bei praktischen Angelegenheiten des Alltags unterstützen. Sie können zudem beim Ausfüllen von Anträgen (Rente, Sozialleistungen) oder der Steuererklärung helfen. Schuldnerberatungsstellen können Vermögensfragen klären. Aber auch im Übrigen haben alle Formen der Beratung und Unterstützung, die auf sozialrechtlichen Vorschriften beruhen, Vorrang vor der Bestellung eines rechtlichen Betreuers bzw. einer rechtlichen Betreuerin. Sozialleistungen dürfen also nicht mit Hinweis auf eine bestehende rechtliche Betreuung oder die Möglichkeit einer Betreuerbestellung versagt werden. Auch die vielfältigen Beratungs- und Unterstützungspflichten, die sich etwa im Bereich der Eingliederungshilfe aus § 106 SGB IX ergeben, sind nicht deshalb eingeschränkt, weil eine rechtliche Betreuung eingerichtet wurde oder werden kann.
Die Betreuungsbehörden erhalten mit dem neuen Instrument der erweiterten Unterstützung (§ 8 Absatz 2 und § 11 Absatz 3 des Betreuungsorganisationsgesetzes (BtOG)) darüber hinaus den gesetzlichen Auftrag, betroffene Menschen in geeigneten Fällen so zu unterstützen, dass hierdurch eine rechtliche Betreuung möglicherweise entbehrlich wird. Solche anderen Hilfen sind vorrangig, reichen aber nicht aus, wenn auch eine rechtsgeschäftliche Vertretung der betroffenen Person erforderlich ist. Die Bestellung eines Betreuers bzw. einer Betreuerin kann schließlich auch dann vermieden werden, wenn die unterstützungsbedürftige Person eine andere Person ihres Vertrauens bereits wirksam insbesondere im Wege einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigt hat oder noch bevollmächtigen kann. Dies ist nicht nur in Vermögensangelegenheiten möglich, sondern auch in allen anderen Bereichen, etwa Gesundheitsangelegenheiten oder Fragen des Aufenthalts.
Podcast
Bis vor wenigen Jahren wurden volljährige Personen Sonntagabend im Tatort noch "entmündigt" - obwohl es eine Entmündigung bei Erwachsenen im deutschen Recht schon lange nicht mehr gibt. Barbara Dannhäuser, die im neuen FamRZ-Podcast „familiensachen“ zu Gast ist und als Referentin für Betreuungsrecht 270 Betreuungsvereine in ganz Deutschland koordiniert, findet es sehr schade, dass in der Öffentlichkeit zum Teil völlig falsche Vorstellungen von Betreuung vorherrschen. Sie hofft, dass sich mit dem neuen Betreuungsrecht, das seit 1.1.2023 in Kraft ist, einiges ändert. Was genau, das erzählt sie in Folge 12 des FamRZ-Podcasts. Jetzt reinhören: www.famrz.de/podcast
PDF, 149KB, Datei ist barrierefrei⁄barrierearm, 23. Dezember 2022
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