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„Wir sind nicht Kriegspartei.“

Schwerpunktthema: Münchner Merkur

Wann ist Frieden, wo beginnt Krieg? Deutschland will die Ukraine stärken, ohne in den Krieg mit Russland direkt hineingezogen zu werden. Wo verläuft die rote Linie? Der Münchner Merkur hat mit dem Bundesjustizminister darüber gesprochen. Dr. Marco Buschmann warnt vor Panik – aber auch vor naiver Angstlosigkeit.

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Atom-Drohungen aus Russland, nukleare Übungen in Kaliningrad: Nur Putins Bluff oder Grund zu großer Sorge für uns?

Niemand kann sicher wissen, was in Putins Kopf vorgeht. Man kann ihm nicht mehr trauen. Wir nehmen Nachrichten aus Russland sehr ernst, aber man muss sie auch kritisch einordnen. Man muss wissen, dass der Krieg in der Ukraine für Russland schlecht läuft. Dort ist sehr viel konventionelles Militär gebunden. In solchen Situationen gehört es quasi zum Standard-Vorgehen der Russen, das atomare Abschreckungspotenzial ins Schaufenster zu stellen, niemand solle auf die Idee kommen, die konventionelle Schwäche Russlands auszunutzen. Also: Kein Anlass zur Panik, aber zur genauen Analyse und Besonnenheit.

Ist Angst unangebracht?

Manch ein Kommentator schreibt dieser Tage, man solle keine Angst vor einem Krieg haben. Das halte ich für falsch. Der Krieg ist eine blutige Bestie. Er fällt alles an, was ihm vor die Füße kommt. Wir handeln deshalb sehr entschieden: Wir haben das Ziel, eine militärische Eskalation zwischen Russland und der Nato zu vermeiden. Aber natürlich helfen wir der Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung gegen diesen brutalen Überfall. Wir wollen, dass die Ukraine diesen Krieg nicht verliert.

Als Jurist, als Bundesjustizminister: Wo ist die Grenze, ab der von unserer Kriegsbeteiligung gesprochen werden kann?

Wir liefern der Ukraine Waffen, aber das macht uns rechtlich nicht zur Kriegspartei. Für die Frage von Krieg und Frieden sollten wir jedoch zwei Dinge auseinanderhalten: faktisches Handeln und Recht. Wenn Russland Deutschland angreifen würde, wären wir im Krieg. Wenn Russland eine Rakete auf Polen schießen würde, hätten wir den Bündnisfall der Nato. Das ist die Folge faktischen Handelns. Davon zu trennen ist die völkerrechtliche Frage.

Nämlich?

Es gibt eine alte, überholte Sicht aus dem vorletzten Jahrhundert. Damals war Krieg zwischen Staaten ein übliches Instrument der Politik. Da galt die Regel: Du machst mit im Krieg oder hältst Dich raus. Völkerrechtler nennen das das Neutralitätsgebot. Wir haben aber heute ein neueres Völkerrecht auf Basis der UN-Charta. Der Grundsatz lautet: Krieg ist verboten. Einzige ausdrückliche Ausnahme ist, sich gegen Angriffe zu verteidigen.

Wie nun die Ukraine.

Genau. Und das hat auch das Neutralitätsgebot verändert. Ein Staat, der einem anderen Staat dabei hilft, sein Selbstverteidigungsrecht auszuüben, wird dadurch nicht automatisch zur Kriegspartei – auch nicht, wenn er schwere Waffen liefert. Das ist im Völkerrecht die klar herrschende Meinung. Das ist auch Konsens innerhalb der Bundesregierung.

Schön – aber Putin definiert selbst, wann ein Land gegen ihn Krieg führt.

Das Völkerrecht muss für unser Handeln der Maßstab sein, auch und gerade in einem völkerrechtswidrigen Krieg. Unsere stärkste Waffe gegen Putin ist die große Einigkeit in der EU, mit den USA, mit fast allen zivilisierten Staaten dieser Welt. Das macht uns stark und schreckt auch ab. Das hat etwa auch beispiellose Wirtschaftssanktionen ermöglicht. Die treffen Russland hart. Putins Kalkül war, dass die liberalen Demokratien schwach, dekadent und handlungsunfähig wären. Er hat sich geirrt. Übrigens auch in der Einschätzung der Nato. Die Nato zeigt gerade ihre Geschlossenheit und Stärke. Jetzt gibt es sogar eine Liste von Staaten, die unbedingt Mitglied werden wollen.

Auch das kann den Konflikt anheizen, wenden Kritiker ein.

Wir sollten nicht vergessen, wie Putin in den letzten Jahren vorgegangen ist. Spätestens seit 2008 nimmt er sich einzelne Staaten vor, destabilisiert sie und überfällt sie. Er testet aus, wie weit er gehen kann. Aus der Besetzung der Krim 2014 zog er den Schluss für sich: Der Widerstand der Welt ist nicht stark genug. Jetzt aber gibt es zum ersten Mal eine überwältigende Einigkeit und Geschlossenheit – echten, harten, empfindlichen Gegendruck. Würden wir nichts tun, müssten wir damit rechnen, dass Putin die Grenzen immer weiter austestet. Deshalb ist die Klarheit unserer Reaktion so wichtig. Es wird hier gerade mehr verteidigt als die Ukraine. Es geht auch um unsere Sicherheit in Freiheit.

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