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Schwerpunktthema: Interview

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann spricht im Interview mit der FUNKE u.a. über Rechtsextremismus, die Verantwortungsgemeinschaft und weitere Vorhaben.

Interviews und Gastbeiträge
FUNKE

Zu sehen ist Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann und ein Zitat.
Quelle: BMJ/Dominik Butzmann

Das Interview wurde vor der Veröffentlichung auf dieser Seite redaktionell gekürzt.

Herr Buschmann, halb Deutschland geht gerade gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Sie auch?

Diese Demonstrationen senden ein verfassungspatriotisches Signal: Die Teilnehmer versammeln sich hinter Demokratie, Menschenwürde, Grundrechten und dem Rechtsstaat. Ich wollte in meiner Heimat in Gelsenkirchen an einer Demo teilnehmen, das hat leider wegen der Vorbereitungsgremien unseres Europaparteitages nicht geklappt. Es dürfte aber auch niemanden überraschen, dass ich als Verfassungsminister wohl einer der glühendsten Verfechter der Werte des Grundgesetzes in unserem Land bin.

Kommen Verfassungsfeinde an die Macht, greifen sie oft die unabhängige Justiz an. Wo sehen Sie Schutzlücken?

In Polen hat die alte Regierung versucht, die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts einzuschränken. Auch in Ungarn oder Israel gibt es solche Versuche. Ich bin sehr froh, dass alle Fraktionen der seriösen Demokraten im Bundestag mit einer verfassungsrechtlichen Änderung das Bundesverfassungsgericht stärker absichern wollen. Es spricht vieles dafür, die jetzige Struktur des Verfassungsgerichts im Grundgesetz abzusichern. Das sollte kein Thema von Mehrheit und Minderheit, Regierung oder Opposition sein. Hier sollten die seriösen Demokraten lagerübergreifend einen gemeinsamen Vorschlag machen. Ich bin sehr optimistisch, dass das gelingen wird.

Wie sieht es bei anderen Gerichten aus?

Wir haben bereits das Dienstrecht verschärft, um zu verhindern, dass Extremisten gezielt den öffentlichen Dienst unterwandern. Auch bei ehrenamtlichen Richtern stellen wir gerade gesetzlich klar, dass sie mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen müssen. Mit Blick auf die Richter gibt es allerdings eine Schwierigkeit: Wenn wir es noch leichter machen würden, Richter aus dem Dienst zu entfernen, kann das zum Bumerang werden. Würden Extremisten an die Macht kommen, würden sie genau diese Option nutzen, um die Zusammensetzung der Gerichte zu manipulieren. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist ein hohes Gut!

Die Ampel will eine Fortschrittskoalition sein, verhakt sich aber sogar bei der gesellschaftlichen Modernisierung oft im Streit. Ihre Pläne für eine neue Form der Verantwortungsgemeinschaft als Alternative zur Ehe gibt es schon seit mehr als zwei Jahren. Ist der Widerstand so groß?

Ich finde, unser Tempo ist ziemlich sportlich - wenn man berücksichtigt, wie viel wir angehen. Wir bringen im Familienrecht gerade die größten Reformen seit Jahrzehnten auf den Weg. Wir modernisieren das Namensrecht, das Unterhaltsrecht, das Kindschaftsrecht und das Abstammungsrecht. Außerdem wollen wir mit der Verantwortungsgemeinschaft ein neues Rechtsinstitut einführen - wohlgemerkt: nicht als Alternative zur Ehe, sondern als Angebot für andere Nähebeziehungen. Das ist eine echte Innovation. Deshalb haben wir die Eckpunkte gründlich vorbereitet.

Welche Vorteile bringt die Verantwortungsgemeinschaft im Alltag?

Ein Beispiel: Zwei alleinstehende ältere Damen leben zusammen in einer Wohngemeinschaft. Sie sind kein Paar, sie wollen nicht heiraten. Sie wollen sich gegenseitig helfen, gerade auch im Notfall. Mit der notariell beurkundeten Verantwortungsgemeinschaft können sie eine rechtsichere Grundlage schaffen. Das macht vieles einfacher – zum Beispiel beim Auskunftsrecht gegenüber Ärzten oder bei anderen Vertretungsfragen. Ein anderes Beispiel wären zwei Alleinerziehende, die sich gegenseitig unterstützen wollen.

Welche Folgen hat das für Kinder, Vermögen oder Versorgung?

Die Verantwortungsgemeinschaft ist keine „Ehe light“. Sie wird keine Auswirkungen auf das Eltern-Kind-Verhältnis haben. Es wird keine Steuererleichterungen geben, auch keine erbrechtlichen Folgen oder Unterhaltspflichten. Wer möchte, soll allerdings den Vermögensausgleich nach Beendigung einer Verantwortungsgemeinschaft regeln können.

Paare könnten heiraten, alle anderen eine Versorgungsvollmacht abschließen. Warum diese dritte Variante?

In der Tat: Man könnte durch einzelne Vollmachten so etwas Ähnliches nachbauen wie eine Verantwortungsgemeinschaft. Viele Menschen machen von diesen Möglichkeiten allerdings keinen Gebrauch. Die Verantwortungsgemeinschaft hat zwei große Vorteile. Erstens kann man alles in einem Durchgang erledigen und sich beim Notar genau das passende Modell zusammenbauen. Außerdem hat die Verantwortungsgemeinschaft einen symbolischen Mehrwert. Wer sie eingeht, gibt einem sozialen Verhältnis eine Struktur und einen positiven Namen. Ich denke, das ist attraktiv - gerade für Menschen, die sich mit heiklen Fragen wie der Vertretung im Fall von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit eigentlich lieber nicht beschäftigen.

Jedes Jahr werden knapp 400.000 Ehen geschlossen. Wie viele Menschen werden sich auf diese Weise binden?

Wir haben immer mehr Alleinerziehende, wir haben immer mehr alleinstehende Ältere: Ich glaube, es gibt einen Bedarf für die Verantwortungsgemeinschaft. Wichtiger als eine konkrete Zahl von geschlossenen Verantwortungsgemeinschaften ist mir, dass wir allen Menschen diese neue Möglichkeit und Freiheit schaffen. Denn das Spannende ist doch: Die Verantwortungsgemeinschaft nimmt niemandem etwas weg - und kann Menschen das Leben einfacher machen. Mir ist wichtig, dass die Menschen dieses Angebot bekommen. Deshalb wollen wir das Vorhaben zügig ins Gesetzblatt bringen. Schon im Herbst will ich einen Gesetzesentwurf ins Kabinett bringen, im nächsten Jahr könnte das Gesetz in Kraft treten.

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