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„Demokratie ist die beste Staatsform“

Schwerpunktthema Interview

Interviews und Gastbeiträge
FAZ

Dr. Stefanie Hubig, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, spricht in ihrem Interview mit der FAZ u.a. über die Lage an den Grenzen und die Zusammenarbeit mit Innenminister Alexander Dobrindt.

Das Interview wurde vor der Veröffentlichung auf dieser Seite redaktionell gekürzt.

FAZ: Kommen wir zur Asylpolitik. In der ersten Woche nach der Anordnung des Innenministers wurden 32 von 51 Asylsuchenden zurückgewiesen. In der Woche zuvor waren 44 Asylsuchende ins Land gekommen. Die Aufnahme wurde also gesenkt, allerdings auf  niedrigem Niveau. Viel Wind um nichts oder notwendige Abschreckungs-Symbolik?

Dr. Stefanie Hubig: Ich glaube, das gilt es in ein paar Monaten noch mal zu diskutieren. Wir haben im Koalitionsvertrag die Vereinbarung getroffen, weiter gegen irreguläre Migration vorzugehen. Das ist unser gemeinsames Ziel. Mir ist wichtig, dass wir dabei europarechts- und rechtsstaatskonform arbeiten. Der Innenminister versichert mir, dass er das genauso sieht.

Halten Sie die seine Weisung für europarechtskonform?

Der Innenminister selbst hat klargestellt, dass er Zurückweisungen nicht allein auf das nationale Recht stützen kann. Es müssen auch die Voraussetzungen von Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union  vorliegen. Die Norm erlaubt es den Mitgliedstaaten, auf das nationale Recht zurückzugreifen – mit der Einschränkung, dass es sich um einen Ausnahmefall handelt, dass es um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und um die innere Sicherheit geht. Es ist unbestreitbar, dass die Migration der letzten Jahre enorme Auswirkungen hatte. Ich war in Mainz für Schulen und Kitas zuständig und weiß, wie angespannt die Lage in den Kommunen ist. Rheinland-Pfalz hat innerhalb von drei Jahren knapp 25.000 Schülerinnen und Schüler zusätzlich aufgenommen. Das sind erhebliche Herausforderungen. Aber als Justizministerin sage ich: Das allein wird nicht genügen, um eine Ausnahme zu begründen. Die Voraussetzungen für diese Ausnahmevorschrift sind hoch.

Äußern Sie Ihre Bedenken gegenüber dem BMI?

Alexander Dobrindt und ich sind in guten und sehr offenen Gesprächen. Auch der Bundeskanzler hat klar gemacht, dass wir rechtsstaatliche, insbesondere europarechtliche Vorgaben beachten werden und dass es keinen deutschen Alleingang geben wird. Das ist der richtige Maßstab. Die EU-Kommission hat zu recht klar gemacht, dass die Mitgliedstaaten nicht beliebig aus dem Europarecht aussteigen können. Aber auch die Kommission verschließt nicht die Augen vor der angespannten Situation in den Mitgliedstaaten. Insofern ist es gut, dass alle miteinander im Gespräch sind.

SPD und Union wollen die Vorratsdatenspeicherung  einführen. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Regeln nicht wieder von Gerichten gekippt werden?

Mit guter Gesetzesarbeit. Der EuGH hat im letzten Jahr klargestellt, dass eine IP-Datenspeicherung europarechtskonform ausgestaltet werden kann. Und nur davon sprechen wir. Die Ermittlungsbehörden sollen Auskunft darüber erhalten können, welchem Anschlussinhaber eine bestimmte IP-Adresse zugeordnet ist. Denn IP-Adressen sind oft der einzige Ermittlungsansatz bei internetbezogener Kriminalität. Es geht hier nicht um Massenspeicherung oder Echtzeitüberwachung.

Bei welchen Straftaten soll die Vorratsdatenspeicherung zum Einsatz kommen?

Jedenfalls bei erheblichen Straftaten, etwa bei Kinderpornografie und Terrorismus. Alles Weitere werden wir nun innerhalb der Bundesregierung besprechen.

Die Ampel-Koalition verknüpfte das Thema der Strafverfolgung mit der Mietpreisbremse. Sie haben erklärt, auch dieses Instrument möglichst schnell angehen zu wollen. Was schwebt Ihnen vor?

Die Mietpreisbremse soll nun schnell verlängert werden, denn die aktuelle Regelung läuft zum Ende des Jahres aus. Danach könnten die Mieten wieder ungebremst steigen. Wichtig ist mir, dass künftig mehr Wohnungen den Regelungen der Mietpreisbremse unterliegen. Auch Gebäude, die zwischen 2014 und 2019 gebaut wurden, möchte ich einbeziehen. Das ist eine kleine, notwendige Anpassung. Andernfalls haben wir immer weniger Wohnungen, für die die Mietpreisbremse gilt.

An der Wirksamkeit der Mietpreisbremse gibt es Zweifel. Nicht nur die vielen Ausnahmen wurden kritisiert. Viele Vermieter, die der Regel eigentlich unterliegen, halten sich nicht daran.

Das ist ein Problem, da haben Sie recht. Deswegen will ich auch den ganzen Mietmarkt in den Blick nehmen – mit all seinen Phänomenen. Dazu gehören Indexmieten und der möblierte Wohnraum. Es kann nicht sein, dass ich in eine Wohnung zwei Stühle reinstelle und meine, damit seien die Mieterschutzregeln ausgehebelt. Und natürlich brauchen wir mehr Wohnungen. Darum kümmert sich zuvorderst Verena Hubertz als Bundesbauministerin. Wir ziehen da gemeinsam an einem Strang.

Welche anderen Themen liegen Ihnen für Ihre Amtszeit besonders am Herzen?

Am allermeisten liegt mir die Stärkung unserer Demokratie am Herzen. Hier geht es um harte Überzeugungsarbeit: Die Demokratie ist die beste Staatsform. Das ist ein sehr abstraktes und gleichzeitig total konkretes Thema. Es geht zum Beispiel darum, dass wir die Justiz effizienter und moderner machen müssen. Die Zunahme von Gewalt – auch in den Familien – und der um sich greifende Extremismus stellen uns vor große Aufgaben. Außerdem möchte ich das Familienrecht auf die Höhe der Zeit bringen, etwa beim Sorge- und Umgangsrecht, aber auch im Abstammungsrecht. Ich glaube, da können wir einiges nachholen, was in der letzten Legislaturperiode nicht mehr geschafft wurde.

Sie meinen die umfassenden Reformen des Familienrechts, die Marco Buschmann geplant hatte?

Es gibt hier gute Vorarbeiten und ich werde mich dafür einsetzen, dass wir die gesellschaftliche Realität besser als bisher im Recht abbilden.

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