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Festakt zum 60jährigen Bestehen der Bundesnotarkammer im Humboldt Carré in Berlin

Grußwort des Bundesministers der Justiz Dr. Marco Buschmann

Rede


ES GILT DAS GESPROCHENE WORT

Meine verehrten Damen und Herren,
Herr Professor Bormann,
Frau Dr. Danninger,
Frau Präsidentin Limperg,
liebe Nachbarinnen und Nachbarn, darf ich ja sagen, in der Mohrenstraße!
Das sind Sie ja, bemerkenswerterweise.

Der letzte Notar, dem ich begegnet bin – nach unserem Gespräch im Februar, liebe Frau Danninger, lieber Herr Bormann –, war der Notar im ersten Akt des „Rosenkavalier“, hier nebenan in der Staatsoper.

Seine standhafte Ungerührtheit angesichts des augenzwinkernden gierigen Ansinnens des Barons von Lerchenau, mal andere Wege zu gehen und was möglich zu machen: eine Morgengabe von der künftigen Gattin an den Gatten, an ihn, aufzusetzen. Das sei nicht möglich, so der Notar immer wieder; und dabei bleibt er, trotz zunehmender Wut und Lautstärke des Gegenübers.

Das ist schon mal nah am Ideal.

Mitarbeiter – und wir haben im BMJ auch Nicht-Juristen – haben mir in der Vorbereitung dieses Termins erzählt, dass sie Notarinnen und Notare bei ihren Terminen immer wieder so erlebt haben: Hochkonzentriert, präzise, vertrauenswürdig, mit neutralen Erläuterungen der Bedeutung dieses oder jenes Passus‘ und seiner Folgen für die Beteiligten, mit unparteilich-gleichmäßigen Empfehlungen an beide Seiten des Tisches.

Vielleicht kann man sogar sagen, dass da beim Notar eine Prise Pfarrer oder Arzt dabei ist – auch der Notar ist ja ein klassischer alteuropäischer Beruf; die erste eigene Reichsnotariatsordnung ist von 1512. Es liegt eine menschliche Qualität in dem, was Sie tun – eine Qualität, die erhalten bleiben soll, wenn man künftig durch die Digitalisierung von Verfahren auch mal nicht im selben Raum sitzt!

Meinen herzlichen Glückwunsch zu 60 Jahren Bundesnotarkammer! Zu 60 Jahren präziser und schlagkräftiger Vertretung der Interessen der deutschen Notarinnen und Notare. Und in diesen Jahrzehnten sind über die Interessenvertretung hinaus ständig Aufgaben hinzugekommen. Denn: Wo die Arbeit gut erledigt wird, da geht sie hin!

Die wissenschaftliche Beratung. Die Aus- und Fortbildung der Notare. Die Funktion als Registerbehörde für das zentrale Testamentsregister und das zentrale Vorsorgeregister. Die Schaffung und Unterhaltung der notwendigen Infrastruktur für die Digitalisierung der notariellen Tätigkeit.

Ich will zu einigen dieser gemeinsamen Projekte, gerade im Bereich der Digitalisierung, ein paar Worte sagen.

Ihnen ist die Führung des Zentralen Vorsorgeregisters übertragen, in das Angaben zu Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen eingetragen werden können.

Hier wird es ab Januar 2023 ja Weiterungen geben. Dann können auch Hinweise auf eine Patientenverfügung isoliert von einer Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung registriert und Widersprüche gegen das Notvertretungsrecht des Ehegatten eingetragen werden.

Und es erhalten ab Januar 2023 auch Ärztinnen und Ärzte Einsicht in das Zentrale Vorsorgeregister, soweit das für eine Entscheidung über eine dringende medizinische Behandlung erforderlich ist. Zum Schutz der vertraulichen Daten des Registers werden sie dafür die Telematikinfrastruktur des Gesundheitswesens nutzen.

So greifen also nach und nach die verschiedenen Teil-Stränge der Digitalisierung ineinander.

Gerade in diesem Jahr geht auch das elektronische Urkundenarchiv an den Start, das Sie ebenfalls führen. Ab Juli können in der elektronischen Urkundensammlung sämtliche notariellen Urkunden in digitaler oder digitalisierter Form aufbewahrt werden.

Ihre zentralen Registeraufgaben haben Sie von Anfang an genutzt für eine Vorreiterrolle in Sachen Digitalisierung. Ein vorläufiger Höhepunkt dieser Antreiberschaft ist das Videokommunikationssystem, das Sie zu entwickeln hatten – und das nun tatsächlich ab dem 1. August für bestimmte Bereiche die Beurkundung und Beglaubigung mittels Videokommunikation ermöglicht. Meinen großen Dank an Sie für die schnelle Entwicklung dieses Systems!

Wir hatten uns in der neuen Bundesregierung vorgenommen, hier die Möglichkeiten noch zu erweitern. Und wir haben, wie Sie wissen, ein entsprechendes Ergänzungsgesetz schon auf den Weg gebracht. Die Online-Beglaubigung von Handelsregisteranmeldungen soll für alle Rechtsträger zulässig sein. Es sollen Anmeldungen zum Genossenschafts-, Vereins- und Partnerschaftsregister in den Anwendungsbereich des notariellen Verfahrens für Online-Beglaubigungen einbezogen werden. Und der Anwendungsbereich des Verfahrens der Online-Beurkundung soll auf GmbH-Sachgründungen und einstimmig gefasste Beschlüsse zur Änderung des GmbH-Gesellschaftsvertrages ausgeweitet werden.

Ich höre von Ihrer Zustimmung zu den Plänen.

Die Bundesnotarkammer war und ist überall hier eine treibende Kraft, die Digitalisierungsprojekte initiiert und in eigener Verantwortung umsetzt.

Zwei Projekte will ich noch nennen.

Sie haben zuletzt eine Machbarkeitsstudie für ein Blockchain-basiertes Gültigkeitsregister durchgeführt und sogar einen Prototyp eines solchen Registers entwickeln lassen. Also eine technologische Möglichkeit, die Echtheit und fortdauernde Gültigkeit elektronischer Dokumente zu bestätigen. Sie haben auf eigene Initiative hin einen solchen Prototypen entwickelt! Man würde sich wünschen, dass an allen Stellen die Möglichkeiten der Digitalisierung so aktiv verfolgt werden. Mein Haus und ich haben Ihnen hier bereits zugesichert, dass wir mögliche Anwendungsfelder sehr interessiert prüfen.

Und Ihre wichtige Mitarbeit beim Projekt eNoVA, mit dem die digitale Abwicklung von Immobilienverträgen möglich werden soll. Bisher tauschen Notare und Verwaltungsstellen die erforderlichen Anträge und Genehmigungen auf dem Postweg in Papierform aus. Das kostet Zeit und führt dazu, dass Daten mehrfacherhoben werden. Wir wollen eine digitale Abwicklung tatsächlich zeitnah verwirklichen. Ein Referentenentwurf zu einem entsprechenden Gesetz wird gerade in meinem Haus erarbeitet. Und wir werden uns nicht darauf beschränken, die derzeit in der Papierwelt praktizierten Abläufe einfach digital abzubilden. Wir wollen durch die Digitalisierung die betroffenen Verwaltungsabläufe selbst effizienter machen.

Das alles ist wirklich sehr beeindruckend, was Sie hier leisten und beitragen. Sie sind ein zentraler Mitstreiter in dem, was wir uns für diese Legislaturperiode vorgenommen haben.

Wir wollen das Recht auf die Höhe der gesellschaftlichen Kommunikationswirklichkeit bringen. Wir wollen diese Chancen der Digitalisierung nutzen – im Gesellschaftsrecht, aber vor allem auch im Bereich der Justiz. Wir werden die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die neuen Technologien überall in den Gerichten auch zum Einsatz kommen: Online-Verfahren, Video-Verhandlungen und die vollständige audiovisuelle Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung.

Wir überprüfen das geltende Recht und fragen, wo wir es an die digitale Wirklichkeit anpassen müssen.

Übrigens hat tatsächlich, wie der Deutsche Richterbund gerade mitgeteilt hat, die Pandemie die Digitalisierung in der Justiz schon beschleunigt. Im vergangenen Jahr wurden über 50 000 Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz durchgeführt – überwiegend Zivilverfahren.
Auch die technische Ausstattung der Gerichte hat sich deutlich verbessert. Aber es gibt große Länder-Unterschiede.

All das ist kein Selbstzweck. Wir brauchen den digitalen Rechtsstaat. Der Respekt vor dem Rechtsstaat leidet, wenn die Rechtsverfahren wirken wie aus der Zeit gefallen. Digitalisierung erleichtert den Zugang zum Recht. Sie kann das Recht transparenter und effizienter machen und so wiederum Vertrauen und Respekt vor dem Rechtsstaat stärken.

Mein zweiter konkreter Dank heute: Sie sind konstruktiver Partner im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Sie bringen sich immer wieder durch Stellungnahmen und Gutachten in die laufenden Gesetzgebungsverfahren ein, auch mit eigenen und neuen Vorschlägen. Etwa in die Mitarbeit bei der Entwicklung der – Achtung, Konzentration, jetzt kommt ein sehr langes Wort – Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien.

Da ist ein klarer rechtlicher Rahmen für die Meldung von Vorgängen durch Berufsgeheimnisträger an die Financial Intelligence Unit geschaffen worden – und in Zusammenarbeit mit Ihnen wurden Risikosituationen identifiziert, in denen ein besonders hohes Risiko der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung besteht. Das hat tatsächlich zu einem sprunghaften Anstieg der Meldungen aus den Notariaten geführt: 2020 insgesamt 1.629 Meldungen, wobei erst ab Oktober Verdachtsmeldungen nach der Verordnung zulässig waren.

Auch bei den herausfordernden Verhandlungen über das im Juli 2021 von der Europäischen Kommission vorgestellte Geldwäschepaket bringen Sie sich in großartiger Weise ein. Wir wollen da Lösungen erreichen, die eine effektive Geldwäschebekämpfung ohne unverhältnismäßige Eingriffe in das Berufsgeheimnis ermöglichen.

Für uns und Sie ist wichtig, dass die – Achtung, Konzentration, jetzt kommt wieder dieses lange Wort – Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien Bestand hat. Denn wir haben da eine sehr gute Abwägung zwischen Verschwiegenheitspflicht und Geldwäschebekämpfung hinbekommen. Wir setzen uns bei den Verhandlungen dafür ein, dass nationale Regelungen zu Meldepflichten von Berufsgeheimnisträgern in Hochrisikosituationen möglich bleiben.

Die vorgesehenen Aufsichtsbefugnisse der EU-Geldwäschebehörde im Nichtfinanzbereich halten wir übrigens für problematisch. Eine zentrale EU-Geldwäschebehörde ist mit den Grenzen und Besonderheiten des notariellen Berufsrechts nicht ausreichend vertraut, um Aufsichtsbefugnisse selbst ausüben zu können.

Viel zu verhandeln. Aber wir schaffen auch das.

Schließlich ein dritter, ernster und wichtiger Punkt und Dank: Auch bei der Umsetzung der Russlandsanktionen spielen die Notare eine wichtige Rolle. Die zur Geldwäschebekämpfung geschaffenen Strukturen erleichtern die Umsetzung dieser Sanktionen. Notarinnen und Notare sind nach geltendem Recht regelmäßig zur Identifizierung der wirtschaftlich Berechtigten verpflichtet. Hier hilft das Transparenzregister, das wir seit 2017 haben – und hier hilft auch wieder die Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien! Die sieht ja eine Meldepflicht vor, wenn Beteiligte oder wirtschaftlich Berechtigte auf Sanktionslisten stehen.

Meinen großen Dank auch hier für Ihren Einsatz.

Meine Damen und Herren,

dass Sie dies alles in Selbstverwaltung in der Bundesnotarkammer tun, entspricht unserem liberalen verfassungsrechtlichen Ordnungsrahmen. Das Grundgesetz vertraut in seiner regelungspolitischen Zurückhaltung der Fähigkeit von Gesellschaft und Wirtschaft zur Selbstregulierung – und lässt dieser Verantwortung grundsätzlich Raum.

Die Selbstverwaltung durch Kammern in zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ist die freiheitsschonende, verantwortungsfördernde, bessere Alternative zur unmittelbaren Staatsverwaltung. Die Wirkung und Mitwirkung der Betroffenen selbst führt zu Entscheidungen von großer Sachnähe, Umsicht und Nachhaltigkeit.

Sie, die Bundesnotarkammer, sind dafür ein leuchtendes Beispiel!

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