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Regierungsbefragung - Statement im Bundestag

Statement des Bundesministers der Justiz Dr. Marco Buschmann am 11. Mai 2022 in Berlin

Rede


ES GILT DAS GESPROCHENE WORT

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Seit mehr als zweieinhalb Monaten findet in der Ukraine ein blutiger Krieg statt, der alle Politikbereiche erfasst. Natürlich sind die schlimmsten Folgen die, die die Menschen in der Ukraine selber zu tragen haben. Aber dieser Konflikt hat auch schlimme Ausstrahlungswirkung in andere Politikbereiche. Meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Kabinett haben dazu berichtet: zur Sicherheitslage, zu unserer eigenen Verteidigungspolitik, zur Energiepolitik und zu den Problemen des Hungers in der Welt. Aber dieser Konflikt hat natürlich auch Auswirkungen auf den Bereich der Rechtspolitik.
Drei Dinge möchte ich in diesem Zusammenhang vortragen.

Wir sind nicht nur mit einem völkerrechtswidrigen Angriff, einem Überfall konfrontiert, sondern auch mit einer Art der Kriegsführung, die verbrecherisch ist. Quasi jedes Zusatzprotokoll der Genfer Konvention wird in der Ukraine systematisch verletzt. Nach allem, was wir wissen - und unterstellt, die Berichte sind wahr -, werden dort eine ganze Reihe von Straftatbeständen erfüllt. Wir als Deutschland haben nach meiner festen Ansicht und auch nach Ansicht der gesamten Bundesregierung eine besondere historische Verantwortung; denn das Völkerstrafrecht beruht in wesentlichen Teilen auf der grundlegenden Arbeit der Nürnberger Prozesse, bei denen es darum ging, das Unrecht von Nazitätern aufzubereiten.

Wir nehmen diese Verantwortung wahr. Wir unterstützen die internationalen Organisationen, insbesondere den Internationalen Strafgerichtshof mit Geld und Personal. Wir selber haben mit dem Generalbundesanwalt eine sehr engagierte Anklagebehörde. Er hat auch schon in der Vergangenheit erfolgreich Kriegsverbrecher in Deutschland vor Gericht gestellt, und er wird das auch in Zukunft mit denjenigen tun, derer wir habhaft werden und denen wir Verbrechen, die sie in der Ukraine verübt haben, nachweisen können.

Wir stimmen uns mit unseren europäischen Partnern eng ab. Wir haben dazu einen JI-Rat durchgeführt. Wir sprechen mit der Europäischen Kommission, um die Rechtsgrundlagen von Eurojust so zu verbessern, dass dort besser koordiniert werden kann. Ich persönlich engagiere mich auch in Formaten außerhalb der Europäischen Union. Beispielsweise beim Arbeitstreffen der deutschsprachigen Justizministerinnen und Justizminister haben wir uns auch mit unseren Freunden in der Schweiz ausgetauscht und Anregungen mitgenommen. Zum Beispiel wollen wir dafür sorgen, dass diejenigen, die aus der Ukraine zu uns kommen und möglicherweise Opfer oder Zeugen schrecklicher Verbrechen waren, sozusagen angeregt werden, ihr Wissen möglichst schnell mit uns zu teilen, damit es nicht verloren geht, sondern für entsprechende Verfahren zur Verfügung steht. Da gibt es eine enge und sehr, sehr gute Kooperation beispielsweise mit dem Innenministerium; ohne sie würde dies auch nicht so gut funktionieren.

Es gibt einen zweiten Punkt, mit dem wir befasst sind und der auch in der öffentlichen Debatte eine Rolle spielt. Viele Menschen stellen sich die Frage: Welche rechtlichen Folgen sind eigentlich an die Waffenlieferungen in die Ukraine geknüpft? Es gibt immer wieder die Sorge, dass sie uns völkerrechtlich zur Kriegspartei machen könnten. Diese Sorge möchte ich hier - das sage ich sehr klar - ausräumen; da sind wir uns auch in der Bundesregierung völlig einig. Diese Sorge kann ich nehmen. Denn seitdem die UN-Charta in Kraft ist, ist das alte Neutralitätsgebot, wie es noch heißt, ein Stück weit überlagert. Krieg ist grundsätzlich verboten. Die einzige legitime Form, Krieg zu führen, ist der Verteidigungskrieg. Das ist in der UN-Charta ausdrücklich so geregelt. Wer ein Land darin unterstützt, sich zu verteidigen, mit Hilfslieferungen, mit zivilen Gütern, auch mit militärischen Gütern und auch mit schweren Waffen, wird dadurch nicht zur Kriegspartei. Das ist völkerrechtlich klar.
Diese Haltung haben wir ja auch schon vor Wochen in völliger Übereinstimmung zwischen Auswärtigem Amt, Justizministerium und der ganzen Bundesregierung so kommuniziert. Dies wurde in den letzten Tagen von sehr prominenten Stimmen auch aus der Völkerrechtswissenschaft unterstützt. Also auch das ist eine klare Aussage, die ich machen kann.

Ein letzter Gedanke dazu, wie wir durch diese Auseinandersetzung in der Rechtspolitik, aber auch weit darüber hinaus betroffen sind: Das ist nicht nur ein territorialer Konflikt. Dort geht es nicht nur um Boden, um Bodenschätze und um geopolitische Zugänge - das sicherlich auch -, sondern es ist auch eine Auseinandersetzung zwischen Autokratie und liberaler Demokratie. Deshalb möchte ich sagen: Bei aller Belastung, die dieser Konflikt bedeutet, müssen wir das Programm, das wir uns als Bundesregierung und auch als Fortschrittskoalition vorgenommen haben, nämlich unsere liberale Demokratie noch liberaler, noch offener, noch toleranter, noch freier und noch moderner zu machen, erst recht fortsetzen. Würden wir dieses Programm stoppen, hätte Wladimir Putin schon ein Stück weit gewonnen.

‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒

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