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20. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein

Grußwort des Ministers zum 20. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein

Rede
Dr. Marco Buschmann

Als vor 19 Jahren der erste Insolvenzrechtstag eröffnet wurde, ahnte niemand, dass sich die Veranstaltung schnell zu einer echten Institution entwickeln würde. Als Treffpunkt der Vertreterinnen und Vertreter aus Insolvenzpraxis, Rechtsprechung, Wissenschaft und Gesetzgebung ist der „Deutsche Insolvenzrechtstag“ mittlerweile ein Highlight im insolvenzrechtlichen Kalender.

Ich freue mich deshalb, zu Ihrer Jubiläumsveranstaltung mit einem kurzen Grußwort beitragen zu können!

Vor 19 Jahren hatte die Insolvenzordnung gerade ihr fünftes Praxisjahr hinter sich gebracht.

Sie hatte sich im Grundsätzlichen bewährt und war trotzdem schon mehrfach geändert worden – zu nicht unwesentlichen Teilen sogar noch, bevor sie überhaupt in Kraft getreten war. Deshalb hat sie sich schon früh den Ruf eingehandelt, eine Dauerbaustelle zu sein.

Die Prognose, dass das Gesetz in einem permanenten Reformprozess niemals so recht zur Ruhe kommen werde, hat sich angesichts der Vielzahl der seither vorgenommenen Reformen und Teiländerungen bewahrheitet.

Und dennoch: Bei all diesen Eingriffen ist der Insolvenzordnung die innere Ordnung trotzdem nicht abhandengekommen. Ihre Grundsätze und Grundfunktionen sind dieselben geblieben. Und das ist auch gut so.

Denn in ihrer Ausrichtung auf eine an den Gläubigerinteressen orientierte, gläubigerautonome und marktgerechte Insolvenzbewältigung; mit ihrem Verzicht auf verteilungspolitische Eingriffe und mit der grundsätzlichen Delegation der Insolvenzabwicklung auf unabhängige und in der Sache kompetente Verwalter hat sich die Insolvenzordnung praktisch bewährt. Und sie hat sich so im Inland wie im Ausland auch Anerkennung verdient.

Und all das ist ihr nicht trotz der vielen Baustellen gelungen, sondern gerade weil sie immer wieder fortentwickelt wurde und mit der Zeit gehen konnte.

Deshalb fällt gerade in diesem Jahr, meine Damen und Herren, etwas auf. Dieser Insolvenzrechtstag befasst sich so gut wie ausschließlich mit praktischen Anwendungsfragen und kaum mit rechtspolitischen Fragestellungen.

Das ist nicht nur deshalb bemerkenswert, weil in der Geschichte der Dauerbaustelle bisher stets das eine oder andere Reformthema auch den Insolvenzrechtstag beschäftigt hat.

Bemerkenswert ist es auch deshalb, weil noch vor einem Jahr unter dem Eindruck von Krieg und Krise lebhaft über reaktive Maßnahmen im Insolvenzrecht, vor allem über eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht diskutiert wurde.

Heute wissen wir, dass es richtig war, solchen Forderungen nicht vorschnell nachzukommen.

Es mag sein, dass die Aussetzungsregelungen zu Beginn der Corona-Pandemie ihren Zweck erfüllt und Schlimmeres verhindert haben. Sie haben sich insoweit als nützliche Flankierung der massiven staatlichen Unterstützungsleistungen erwiesen. Sie haben aber auch ihren Preis gehabt, dessen genaue Höhe sich erst nach und nach abzeichnet.

Denn heute ist mit Blick auf die in der Pandemie erreichten historischen Niedrigstände bei den Insolvenzzahlen unstreitig, dass im Windschatten des Schutzschirms auch Insolvenzen verschleppt worden sind, die auch ohne die Pandemie eingetreten wären.

Das ist für eine marktwirtschaftliche Ordnung über längere Zeit nicht gut – und schon gar nicht in Zeiten struktureller Transformationsprozesse.

Es wäre auf Dauer niemandem geholfen, wenn die verfahrensförmige Insolvenzbewältigung zur Ausnahme und die staatlich unterstützte Fortführung von wirtschaftlichen Aktivitäten zur Regel würde. Das führte zur Verkrustung nicht mehr wettbewerbsfähiger Strukturen.

Wir müssen dem Insolvenzrecht gerade dann, wenn es darauf ankommt, auch den Raum geben, zu zeigen, wofür es da ist!

Die Rufe nach breitflächigen Aussetzungsregelungen verstummen auch mittlerweile – trotz ansteigender Fallzahlen.

Das zeigt, dass es richtig war, besonnen und umsichtig vorzugehen und sich darauf zu beschränken, den Unternehmen durch eine vorübergehende Verkürzung der insolvenz- und restrukturierungsrechtlichen Planungshorizonte mehr Planungssicherheit zu geben – wie wir es getan haben.

Ruhe und Besonnenheit sind auch im Umgang mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission zur weiteren Vereinheitlichung des Insolvenzrechts nötig.

In der Fach- und Verbandsöffentlichkeit sorgt der Vorschlag ja für einige Aufregung und Unruhe. Denn er lässt sich in mehreren Teilen mit den Grundsätzen nicht vereinbaren, die unser Recht tragen und bislang auch seine Funktionsfähigkeit gesichert haben.

Eine weiträumige Suspendierung der Gläubigerautonomie, ein verabsolutierter Eigenverwaltungsgrundsatz, die systematische Verdrängung der Insolvenzverwalter und die Überfrachtung der Gerichte mit Aufgaben, die von der Verwalterschaft verlässlich erledigt werden – all das leuchtet vom deutschen Standpunkt nicht recht ein. Zumal wir hier national für viele Fragen nach langen Diskussionen ausgewogene und weithin akzeptierte Lösungen gefunden haben.

Die gute Nachricht ist: Bei den Verhandlungen in den Ratsarbeitsgruppen, die jetzt angelaufen sind, zeigt sich die Kommission offen und gesprächsbereit.

Wir haben das gemeinsame Ziel, das Insolvenzrecht weiter zu harmonisieren – aber nicht um der Harmonisierung selbst willen. Gerade weil es sich beim Insolvenzrecht um eine so wichtige wirtschaftsrechtliche Materie handelt, müssen wir mit Umsicht vorgehen.

Und ich darf es aus der Insolvenzrechtsgeschichte vor meiner Zeit als Minister in Erinnerung rufen: Als vor einigen Jahren der Vorschlag für die Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie veröffentlicht wurde, waren die Sorgen vergleichbar. Man hat das damals als einen Frontalangriff auf das deutsche Recht empfunden.

Aber auch damals ist es dem BMJ gelungen, dem Vorschlag im Zuge der Verhandlungen im Rat den Schliff zu geben, den er brauchte, um sich in den heimischen Rahmen einzufügen – um es mal so zu sagen.

Das sollte auch bei dem jetzt vorliegenden Vorschlag gelingen. Dann können wir auf dem 21. Deutschen Insolvenzrechtstag gelassener über das Harmonisierungsprojekt sprechen.

Lassen Sie mich, bevor ich schließe, noch einige Worte zum Berufsrecht der Insolvenzverwalter sagen. Wir stehen hier vor einer doppelten Aufgabe. Zum einen wollen wir die Gerichte von dem Aufwand entlasten, der mit der Führung detaillierter Vorauswahllisten verbunden ist. Zum anderen wollen wir einen institutionellen Rahmen schaffen, der sicherstellt, dass die Entscheidung über den Berufszugang, vor allem aber zum Entzug der Berufszulassung, fach- und sachgerecht erfolgt.

Wie Sie wissen, bestehen unter den betroffenen Berufsträgern unterschiedlichste Auffassungen darüber, wie die zweite Teilaufgabe zu lösen ist: welche Stelle oder welche Stellen also mit der Entscheidung in den damit berührten berufsrechtlichen Angelegenheiten betraut werden soll. Auf der Grundlage der dazu ausgetauschten Argumente arbeiten wir an einem Eckpunktepapier, das die weitere Diskussion wird strukturieren können. –

Für den nun beginnenden 20. Insolvenzrechtstag wünsche ich Ihnen einen interessanten und erhellenden Austausch!

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