Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und liebe Zuschauer, falls anwesend! Die Bundesregierung legt Ihnen heute ein Justizstandort-Stärkungsgesetz im Entwurf vor. Was es damit auf sich hat, ist schnell erklärt: Deutschland ist ein wirtschaftlich starkes Land, Deutschland ist ein globalisiertes Land. Deshalb gibt es nicht nur Wirtschafts-, sondern auch Rechtsbeziehungen, die grenzüberschreitend sind. Daraus entstehen auch Rechtsstreitigkeiten, und wir haben ein Interesse daran, dass diese Rechtsstreitigkeiten möglichst vor deutschen staatlichen Gerichten beigelegt werden.
Dieses Interesse ist schnell erklärt: Zunächst einmal findet dadurch bessere Rechtsfortbildung statt. Sie ist transparenter und kann durch die Wissenschaft auch besser begleitet werden. Natürlich haben wir auch ein Interesse an den Gebühreneinnahmen aus den häufig sehr hohen Streitwerten, und zwar ganz einfach deshalb, weil im sozialen Rechtsstaat die hohen Streitwerte auch dazu beitragen, dass bei niedrigen Streitwerten entsprechende Verfahren nicht nur zu prohibitiven Kosten geführt werden können.
Wir stellen allerdings einen Trend fest, der schon seit vielen Jahren anhält: dass solche Streitigkeiten vermehrt eben nicht vor deutschen staatlichen Gerichten geführt werden und dass Gerichtsstandsvereinbarungen für ausländische Gerichte oder Schiedsgerichtsorganisationen getroffen werden. Diesen Trend wollen wir mit diesem Gesetzentwurf umkehren.
Wenn man beteiligte Unternehmen fragt, warum sie Vereinbarungen treffen, um diese Streitigkeiten nicht vor deutschen staatlichen Gerichten beizulegen, dann bekommt man entsprechende Antworten, die wir jetzt in Maßnahmen übersetzt haben, die in diesem Gesetzentwurf vorhanden sind. Die erste ist, dass wir den Ländern die Möglichkeit geben wollen, sogenannte Commercial Courts bei den Oberlandesgerichten für Streitigkeiten mit einem Streitwert von 1 Million Euro oder mehr sowie Commercial Chambers bei den Landgerichten einzuführen. Das machen wir übrigens im Einvernehmen mit den Ländern; die freuen sich darauf. Die wollen das, weil sie natürlich auch ein Interesse an den Gebühreneinnahmen haben.
Der Vorteil dieser neuen Spruchkörper liegt darin, dass sie nicht nur fachlich hoch spezialisiert sind - das sind die Gerichte heute auch -, sondern dass sie die Verfahren auch in der Verhandlungssprache Englisch führen können. Denn diese Rechtsstreitigkeiten basieren auf Fällen und Lebenssachverhalten, in denen auf Englisch korrespondiert wird oder englischsprachige Verträge abgeschlossen wurden. Wenn man all das erst übersetzen müsste, dann kostet das Zeit und Geld. Ich finde, es ist längst überfällig, dass wir in Deutschland für solche Fallkonstellationen die Gerichtssprache Englisch einführen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Das alles geschieht natürlich freiwillig, also nur, wenn die Parteien das wollen.
Ein Zweites ermöglichen wir mit den neuen Spruchkörpern der Commercial Courts: Wer zu einem Commercial Court an einem Oberlandesgericht als erster Instanz geht, ruft dort eine abschließende Tatsacheninstanz an. Es bleibt nicht beim dreizügigen Rechtsweg, sondern es ist nur noch ein Rechtsmittel möglich, nämlich die Revision beim BGH. Auch dort kann in englischer Sprache verhandelt werden. Das führt dazu, dass wir schneller zu abschließenden Entscheidungen kommen. Auch das ist ein Bedürfnis der Parteien, die wir in dem Gesetzentwurf in den Blick nehmen: dass sie schneller Rechtsklarheit und abschließende Entscheidungen bekommen. Auch das ist ein großer Fortschritt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir treffen außerdem organisatorische Maßnahmen, die diese Verfahren attraktiver machen. Eine ist der verpflichtende Organisationstermin. Die Verfahren sollen also nicht vor sich hinplätschern, sondern von Anfang an soll mit allen Beteiligten darüber gesprochen werden: „Wie viele Termine braucht man? Wann finden sie statt? Welche Sachverständigen braucht man?“, damit das ganze Verfahren gestrafft stattfinden kann.
Einen weiteren Vorteil wollen wir einführen, nämlich indem wir Geschäftsgeheimnisse in diesen Verfahren noch besser schützen, damit die Streitparteien nicht vor dem Dilemma stehen, entweder zum staatlichen Gericht zu gehen oder sich für einen starken Geschäftsgeheimnisschutz entscheiden zu müssen. Wir machen beides möglich.
Das ist, glaube ich, ein gutes Paket. Es stärkt die staatlichen Gerichte, es stärkt den Justizstandort Deutschland und ist auch gut für den sozialen Rechtsstaat.
Ich danke Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren.