Es freut mich sehr, Sie heute auf dem GenerativeAI Summit hier im Bundesministerium der Justiz begrüßen zu dürfen.
Wir haben einen vielversprechenden Tag vor uns.
Das liegt zum einen an den hochkompetenten Rednern und Panelisten, die zum Teil von weit her für diese Konferenz angereist sind – wofür ich Ihnen herzlich danke.
Und zum anderen liegt es natürlich an dem Thema. Denn KI wird unser Arbeiten und Leben so stark und so schnell verändern, wie vielleicht keine technologische Entwicklung zuvor.
Mit der Freischaltung des Textgenerators ChatGPT und den vielen darauffolgenden Anwendungen für Text, Bilder und Musik ist uns allen schlagartig deutlich geworden, welches Transformationspotential generative KI hat.
Mit dieser Technologie können im Rekordtempo neue Formen von Inhalten geschaffen werden, aber auch neue Dienstleistungen und Produkte. Was in Zukunft alles möglich sein wird, ist immer noch nicht abzusehen. Es ist vermutlich mehr, als viele von uns sich vorzustellen wagen.
Generative KI hat zunächst das Potential, Arbeitsabläufe zu optimieren und so einen Fokus auf das Wesentliche zu ermöglichen. Zudem können im Arbeitsalltag viele repetitive Aufgaben – wie etwa das Protokollieren von Gesprächen – beschleunigt werden.
Eine Chance kann auch in leichterem Zugang zu Inhalten liegen – beispielsweise durch Zusammenfassungen von Texten in leichter Sprache.
Vor Kurzem haben mir Vertreter führender Wirtschaftskanzleien einen Einblick in ihre Arbeit mit textgenerierender KI gegeben.
Es liegen Studien vor, nach denen der Einsatz von textgenerierender KI dazu geführt hat, dass 12 Prozent der Aufgaben zu 25 Prozent schneller und mit 40 Prozent mehr inhaltlicher Qualität erledigt werden konnten.
Übersetzt auf einen 8-Stundentag wären das 2 Stunden Zeitersparnis.
Natürlich stellt sich das je nach Einsatzumfeld verschieden dar.
Aber die Richtung scheint mir dennoch klar zu sein:
KI kann unterstützen, KI kann entlasten.
Ich war im Januar in Estland und habe mir angesehen, was dort in der Justiz alles schon möglich ist. Die digitale Dokumentation von Gerichtsverhandlungen ist dort selbstverständlich. Verhandlungen werden mit einer hervorragenden Software transkribiert.
KI nimmt also gleichförmige Arbeit ab, Routine-Arbeit, lästige Arbeit ¬– und sie verbessert das Ergebnis.
Auch hier im Haus arbeiten wir an KI-Projekten.
Wir testen, ob KI helfen kann, Stellungnahmen von Ländern und Verbänden im Gesetzgebungsverfahren auszuwerten.
Und wir erproben, ob KI nützlich ist, wenn etwa bei umfangreichen Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz massenhaft Daten anonymisiert werden müssen.
Technologieoffenheit ist in diesem Bereich von entscheidender Bedeutung. Wir wollen neuen Technologien und Geschäftsmodellen keine Hemmnisse in den Weg legen, sondern ihre Entwicklung gezielt fördern. KI und KI Unternehmen müssen in Deutschland und Europa ganz selbstverständlich ihren Platz haben.
Wir müssen daher auch schauen, inwiefern unsere urheberrechtlichen Regelungen mit dem Datendurst von KI vereinbar sind; ob diese Regelungen zum Beispiel Deutschland als Standort für KI unattraktiv machen. Und welche Konsequenzen wiederum das hätte.
Die Wirtschaft wird KI brauchen, daran besteht kein Zweifel. Es gibt Prognosen, nach denen 2030 kein Arbeitsplatz mehr ohne KI auskommen werde.
2030, meine Damen und Herren, das ist nicht mehr lange hin. Soll Deutschland, soll Europa dann nur auf KI aus anderen Staaten zurückgreifen können? Wollen wir diese wirtschaftliche Abhängigkeit? Eine Abhängigkeit, die übrigens auch ganz praktische Folgen für die Ergebnisse der KI hätte.
Denn eine KI, die zum Beispiel vor allem mit amerikanischen oder chinesischen Daten gefüttert worden ist, antwortet nicht so gut auf Fragen, die Europa betreffen, wie eine KI, die auf viele Daten aus europäischen Quellen zurückgreifen kann.
Bei aller Notwendigkeit des Einsatzes und damit der Förderung von KI müssen wir selbstverständlich auf berechtigte Bedenken Rücksicht nehmen. Das betrifft insbesondere die Kreativbranche.
Viele Stakeholder haben uns berichtet, dass sie sich um die Medienvielfalt, die Beachtung ihrer Urheberrechte und damit auch um die Grundlagen ihres Wirtschaftens sorgen.
Das nehmen wir sehr ernst. Denn auch Kreativität und Innovationskraft gedeihen sehr viel besser, wenn sie sich lohnen.
Und wie gehen wir damit um, wenn KI, gefüttert mit Daten, die sich dieser Kreativität verdanken, zu einem Konkurrenten in der Kreativbranche wird? Weil die KI-generierten Produkte schneller und günstiger herzustellen sind?
Die urheberrechtlichen Fragen, die mit generativer KI verbunden sind, sind komplex. Es gibt noch viele Bereiche, die diskutiert und geklärt werden müssen. Dabei gilt: Im Urheberrecht müssen wir stets einen gerechten Ausgleich zwischen den verschiedenen Rechten und Interessen finden.
Ist dieser Ausgleich in Deutschland und in der EU mit dem geltenden Rechtsrahmen bereits gefunden oder bedarf es Anpassungen? Was ist unter welchen Bedingungen bei dieser neuen Technologie erlaubt? Kurz: Ist unser Urheberrecht den Herausforderungen, die die generative KI mit sich bringt, gewachsen? Das wollen wir heute mit Ihnen diskutieren.
Einige Aspekte wurden bereits im Rahmen der Verhandlungen über die europäische KI-Verordnung erörtert. Dabei hat sich die Bundesregierung für verhältnismäßige Transparenzpflichten eingesetzt.
Den Urheberinnen und Urhebern wollen wir es so erleichtern, ihre Rechte durchzusetzen. Ich finde, wir haben uns auf einen guten Kompromiss geeinigt. Und ich freue mich, dass auch viele von Ihnen diesen Kompromiss begrüßen.
Klar ist, dass damit die Debatte um das Thema KI und Urheberrecht nicht beendet ist. Denn für spezifisch urheberrechtliche Fragen war der Streit um die KI-Verordnung nicht das richtige Forum.
Wir wollen daher heute mit Ihnen offen diskutieren und ausloten, ob noch etwas – und wenn ja, was noch zu tun ist im Urheberrecht.
Im Laufe des Tages werden wir von Expertinnen und Experten hören – Berichte aus der Praxis, wissenschaftliche Analysen und einen Ausblick auf Regulierungsbedarf und -optionen.
Lassen Sie mich noch einige Fragen aufwerfen, die uns momentan beschäftigen.
KI ist ohne das Training mit riesigen Mengen an Daten nicht denkbar. Diese Trainingsdaten sind aber sehr oft urheberrechtlich geschützte Inhalte.
In der EU haben wir seit 2021 eine gesetzliche Erlaubnisregelung für Text- und Datamining. Funktioniert sie in der Praxis? Welche Herausforderungen stellen sich?
Auch der Output von KI kann in Konflikt mit Urheberrechten geraten. Was passiert hier technisch, wenn die KI Inhalte generiert, die einem bestehenden Werk zum Verwechseln ähnlich sind? Welche Lösungen werden auf Seiten der Unternehmen gesehen?
Es liegt außerdem auf der Hand, dass KI eine immer größere Rolle bei der Erstellung von künstlerischen Inhalten zukommt. Eine aktuelle Studie im Auftrag der GEMA und der französischen Verwertungsgesellschaft SACEM zeigt, dass bereits 35 Prozent der Musikschaffenden KI in der Musikproduktion eingesetzt haben. Auch bei Übersetzungen spielt KI als Hilfsmittel eine große Rolle.
Das Urheberrecht in der EU setzt jedoch an freien kreativen Entscheidungen eines Menschen an. Wie viel KI darf ich also einsetzen, bevor meinem Inhalt kein Schutz mehr zukommt?
Das müssen wir diskutieren. Denn Mensch-Maschine-Teams, die sogenannten Zentauren, werden in vielen Bereichen bald die Regel sein, etwa in Journalismus, Musik und in der Anwaltschaft; auch hier ist urheberrechtlicher Schutz von großer Relevanz.
Eine offene Frage ist auch, ob wir für KI-generierte Inhalte, die nicht durch Urheberrecht geschützt werden können, ein eigenes Schutzrecht schaffen sollten, um Innovationsanreize zu setzen.
Zuletzt treibt auch die Frage der Vergütung viele Urheberinnen und Urheber um. Wir behalten dabei allerdings im Blick, dass etwa Lizenzgebühren zu erheblichen Problemen für viele KI-Anbieter führen können. Wer eine KI trainiert, benötigt Millionen von Daten. Müssten dafür jeweils Gebühren entrichtet werden, könnten sich das nur die größten KI-Anbieter leisten. Einen wirklichen Wettbewerb, in dem auch kleinere Anbieter eine Chance hätten, gäbe es dann nicht. Hinzu käme noch der unverhältnismäßige bürokratische Aufwand, der auch Ressourcen kosten würde.
Wir sollten daher diskutieren: Bedarf es überhaupt einer gesetzlichen Anpassung? Gibt es bereits „smarte“ Lizenzierungsmöglichkeiten? Welche Rolle könnten die verschiedenen Akteure, z.B. Verwertungsgesellschaften spielen?
Bei all diesen Fragen ist mir wichtig zu betonen, dass generative KI ein weltweites Thema ist. Wir stehen in einem Wettbewerb um die beste Regulierung.
Daher wollen wir von den Erfahrungen in anderen Ländern, wie etwa den USA, lernen und uns fragen: Was sind die Vor- und Nachteile der verschiedenen Herangehensweisen? Und auf welcher Ebene ist Regulierung denkbar und sinnvoll – einzelstaatlich, europäisch, global? Wir sind jedenfalls sowohl mit der EU-Kommission als auch mit der WIPO im Gespräch.
Ich freue mich sehr, dass wir ausgewiesene Experten und Expertinnen gewinnen konnten, die uns zu all diesen Themen spannende Impulse geben können.
Ich wünsche Ihnen allen anregende Vorträge, lebhafte Diskussionen und vor allem viele neue Erkenntnisse!
Vielen Dank!