Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!
Wir haben hier in der vergangenen Woche des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren gedacht. Uns Deutschen ist damals eine zweite Chance geschenkt worden, die Chance, ein besseres Deutschland neu zu bauen - ein Deutschland, das die Würde des einzelnen Menschen nicht antastet, das die bürgerlichen Freiheiten schützt und das Recht achtet, das sich in Europa einfügt und dem Frieden in der Welt dient. Wir haben - so sah es der große deutsch-amerikanische Historiker jüdischer Herkunft Fritz Stern Anfang der 90er-Jahre - diese zweite Chance genutzt.
Viele heute in Deutschland lebende Menschen durften in Jahrzehnten aufwachsen, wie sie dieses Land nie besser gesehen hat: in einem offenen, in einem toleranten und in einem freundlichen Deutschland, wirtschaftlich stark, fest auf dem Boden unserer Verfassung als Garant für diese Erfolgsgeschichte. Und dafür können wir nicht dankbar genug sein.
Aber wir spüren heute, dass das Erreichte gefährdet ist. Diese Regierung, die jetzt ihre Arbeit aufnimmt, tut das also in einer Zeit großer Herausforderungen für unsere Demokratie. Es ist unsere Aufgabe, diese Herausforderungen zu meistern, indem wir Probleme lösen und Vertrauen zurückgewinnen. So sehe ich meine Aufgabe als Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz.
Es sind ernste Zeiten, und wir wollen ihnen rechtspolitisch ernsthaft und wachsam begegnen. Die Stärkung der Justiz ist dabei einer der wichtigsten Beiträge zur Stärkung unserer Demokratie. Das Vertrauen in die Justiz war und ist ein zentraler Pfeiler unserer Ordnung und ein Pfeiler der Zuversicht in unserem Land, und gemeinsam werden wir dafür sorgen, dass das so bleibt.
Was tun wir dafür?
Wir wollen einen neuen Pakt für den Rechtsstaat mit den Ländern schließen. Die Länder brauchen weitere strukturelle Unterstützung, etwa in der Digitalisierung und beim Personal, und wir wollen Wege finden, ihnen diese Unterstützung zukommen zu lassen.
Auch und gerade die Justiz muss sich in diesem Staat gut und resilient aufstellen. Eine leistungsfähige Justiz ist eine moderne Justiz. Mit modernisierten Prozessordnungen sollen Verfahrensdauern verkürzt oder etwa Onlineverfahren in der Zivilgerichtsbarkeit erprobt werden. Und: Eine leistungsfähige Justiz ist eine effektive Justiz, und deshalb brauchen die Strafverfolgungsbehörden die rechtsstaatlichen Mittel und Befugnisse, um bestmöglich ihre Arbeit tun zu können.
Wir werden dabei überall das hohe Gut der Rechtsstaatlichkeit schützen; denn darauf vertrauen die Bürgerinnen und Bürger. Und das gilt gerade auch bei den Fragen, die die neue Regierung jetzt besonders angehen wird - es wurde gerade schon darüber debattiert -: Migration und innere Sicherheit. Es geht hier um die Besserung der Lage auf rechtsstaatlichem Wege, und da bin ich mir mit dem Innenminister einig. Es geht um die Geltung, um die Wahrung des Rechts und der bürgerlichen Rechte. Und das bedeutet umgekehrt: Es geht gegen die, die den Rechtsstaat nicht wollen. Es geht gegen die, die versuchen, die Institutionen unseres Staates zu beschmutzen. Und es geht gegen die, die gerade keine unabhängigen Gerichte wollen, keine ordentlichen Verfahren in unseren Parlamenten und schon gar kein geeintes Europa.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen, dass der Verbraucherschutz ins Ministerium zurückgekehrt ist, und ich freue mich darüber. Denn auch beim Verbraucherschutz geht es um Gerechtigkeit und den Schutz der Schwächeren. Wir haben uns vorgenommen, das Leben für Bürgerinnen und Bürger bezahlbarer, einfacher und gerechter zu machen.
Menschen in unserem Land müssen eine Wohnung finden und ihre Wohnung auch bezahlen können. Wir werden deshalb in einem ersten Schritt - endlich - die Mietpreisbremse verlängern und dazu schnell einen Gesetzentwurf vorlegen. Eile ist angebracht; denn Ende des Jahres laufen die Regelungen aus. Die Expertengruppe mit Mieter- und Vermietervertreterinnen und -vertretern, die wir einsetzen, wird dann weitere konkrete Vorschläge zur Verbesserung mietrechtlicher Vorschriften erarbeiten.
Und wir wollen Verbraucherinnen und Verbraucher schützen bei telefonisch angebahnten langfristigen Verträgen. Solche Verträge sollen grundsätzlich nur dann gelten, wenn sie hinterher auch bestätigt werden.
Das sind nur wenige Beispiele; aber es gibt im Verbraucherschutz jede Menge mehr zu tun.
In einer Zeit, in der die Gesellschaft immer rabiater miteinander umgeht und in der der Anstieg von Gewaltfällen erschreckend ist, wird ein Thema ganz wichtig sein: der Schutz vor Gewalt, und zwar in der Familie und außerhalb davon. Wer seine Partnerin oder seinen Partner schlägt, darf damit nicht durchkommen und ist gleichzeitig eine Gefahr für seine Kinder. Deshalb werden wir nicht nur den Schutz der Betroffenen verbessern, sondern wir werden uns auch darum kümmern, dass häusliche Gewalt im Sorge- und im Umgangsrecht natürlich auch berücksichtigt werden kann.
Und wir verbessern auch den Schutz vor Gewalt im öffentlichen Raum, sei es im Netz oder etwa gegen unsere Polizistinnen und Polizisten oder Einsatz- und Rettungskräfte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gäbe noch viel zu erwähnen: nicht nur das Urheberrecht und die Frage von gerechten Vergütungen, sondern auch das Gesellschaftsrecht mit zum Beispiel neuen Rechtsformen für Unternehmen mit gebundenem Vermögen, das Familienrecht, das wir auf die Höhe der Lebenswirklichkeit in unserem Land bringen wollen, oder die Notwendigkeit einer verstärkten internationalen justiziellen Zusammenarbeit, deren Bedeutung in den letzten Jahren noch einmal gestiegen ist. Die Welt hat sich verändert, und so muss sich auch das Recht verändern.
Lassen Sie mich an diesem Punkt jetzt erst einmal Schluss machen. Unser Land braucht neue Erfahrungen des Gelingens, neue Erfahrungen, dass Dinge auch besser werden, dass Probleme, die lange erkannt sind, auch gelöst werden. Diese Regierung hat sich vorgenommen, diese Probleme zu lösen und eine Politik zu machen, die wieder mehr Vertrauen entstehen lässt. Und dazu möchte ich sehr gerne einen Beitrag leisten.
Vielen Dank.